От Роберта Корна I

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Bangert
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От Роберта Корна I

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PFLEGE DES WOLGADEUTSCHEN KULTURERBES IN DEUTSCHLAND:
Stimmen aus dem Abgrund

1. Wolgadeutsch-deutsche Kulturbeziehungen vor dem Zweiten Weltkrieg
Allgemeine Untersuchungen und Darstellungen, die sich mit den Beziehungen der Wolgadeutschen zu Deutschland auseinandergesetzt haben, lassen darauf schließen, dass die mit den Beziehungen auf dem Gebiet der Kultur zusammenhängende Problematik konsequent umgangen worden ist.1 Das hängt zweifellos mit der Tabuisierung des Themas „Russlanddeutsche“ in der Sowjetunion der Nachkriegszeit zusammen. So widmet Arkadij German diesem Thema selbst in der Wendezeit nur wenige Seiten, wobei er vorwiegend den Wirtschaftsbereich streift,2 obwohl er zugibt, dass die Auslandsbeziehungen der Wolgadeutschen bereits „vorrevolutionäre Traditionen“ hätten, die die „deutsche Autonomie 1922-1923 wieder aufgenommen“ habe.3 Ausführlicher gehen auf diese Problematik Benjamin Pinkus und Ingeborg Fleischhauer ein.4 Wichtige Informationen zu diesem Thema enthält auch der Beitrag von Nina Waschkau.5
Die bolschewistische Zentral-Regierung beobachtete die Reisen wolgadeutscher Funktionäre und Intellektueller nach Deutschland mit zunehmendem Argwohn und erlaubte diese immer nur sehr widerwillig. Einige Zugeständnisse musste Moskau jedoch in diesem Bereich aus ideologischen Erwägungen zunächst machen. Schließlich ging es ja um eine „deutsche Arbeiter- und Bauernrepublik“, die den „Werktätigen Deutschlands“ ein Exempel statuieren sollte. Da sich im Bereich der Beziehungen der Wolgarepublik zum Ausland darüber hinaus einige positive Ergebnisse abgezeichnet hatten, schlug ein Sonderausschuss des Gebietsparteikomitees der Wolgarepublik dem Politbüro der RKP(B) einige konstruktive Maßnahmen vor, die für die Vertiefung „der Arbeit der Republik in Deutschland“ erforderlich wären. Die wolgadeutschen Funktionäre beriefen sich dabei auf das Referat des stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralen Exekutivkomitees und Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Wilhelm Kurz,6 der vom März bis Mai 1925 einen inoffiziellen Besuch in Deutschland machte, wo er sich als Chef der Wolgabank vorgestellt hatte und von Vertretern der deutschen Regierung und der Industriellenkreise empfangen wurde. Er traf auch mit den Repräsentanten der wolgadeutschen Vereine in Deutschland zusammen, mit denen er die Rückkehr emigrierter Wolgadeutscher diskutierte. Die Reise-Ergebnisse, die Kurz seiner Regierung in Engels mitgeteilt hatte, bildeten dann auch die Grundlage der Vorschläge, welche die wolgadeutsche Führung dem Moskauer Politbüro unterbreitete. Der Politbüro-Ausschuss schenkte aber nur einigen Vorschlägen von der Wolga Gehör. So wurde unter anderem als zweckmäßig erachtet, Deutschland über die „Errungenschaften“ der Wolgarepublik eingehender zu informieren. Die Reisen wolgadeutscher Funktionäre nach Deutschland, um sich dort mit der „Kultur und den Errungenschaften des Landes vertraut zu machen“, sah Moskau ebenfalls als sinnvoll an.7 Als erster wolgadeutscher Wissenschaftler reiste nach Deutschland der Germanist und Volkskundler Professor Georg Dinges: Am 9. Juni 1924 delegierte ihn das Volkskommissariat der ASSR der Wolgadeutschen für drei Monate nach Deutschland, um dort „wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Sprachwissenschaft zu betreiben“.
Im März 1926 weilte eine Delegation der Wolgarepublik in Deutschland, der der Vorsitzende des Exekutivkomitees der Republik Johannes Schwab und der Vorsitzende der Wolgabank E. Iwanow angehörten.8 Den Akten des Auswärtigen Amtes ist zu entnehmen, dass an der Delegation außerdem der Kommissar der Wolgarepublik für Erziehung Josef Schönfeldt teilhatte,9 während die Materialien des Engelser Archivs hergeben, dass Schönfeldt um diese Zeit eine separate Lehrerdelegation geleitet habe.10 Schwab äußerte wiederholt den Wunsch, die Beziehungen „mit dem Mutterland“ zu intensivieren,11 während Schönfeldt den Vorschlag gemacht haben sollte, in Berlin eine Kommission zu bilden, um zwischen der Wolgarepublik und Deutschland ein Kulturaustauschprogramm auszuarbeiten. Gedacht wurde dabei vor allem an den Studentenaustausch und die Stipendienvergabe an Studenten, die an deutschen Universitäten studieren wollten.12 Wie viele andere scheiterte aber auch dieses Vorhaben an der sturen ablehnenden Haltung Moskaus diesen Plänen gegenüber.
Im August 1927 kam eine fünfköpfige Landwirtschaftskommission nach Deutschland, die ein anderer Funktionär der Wolgarepublik leitete, nämlich der stellvertretende Volkskommissar für Landwirtschaft A. Schneider.13 Im nächsten Jahr wurde der bekannte wolgadeutsche Pädagoge, Journalist, Lyriker und Volkskundler Peter Sinner, der damals an der Universität Leningrad wirkte, nach Deutschland eingeladen.14 Peter Sinners Besuch hat aber niemals stattgefunden, denn während die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen der Wolgarepublik zu Deutschland, an denen der Kreml selbst interessiert war, bis in die 1930er Jahre hinein andauerten, verliefen die Kulturbeziehungen vom Anfang an schleppend, bis sie 1929 praktisch zum Erliegen kamen.

2. Wolgadeutsche Autoren in Deutschland
Die antideutsche Haltung des Kreml beeinträchtigte natürlich wesentlich die Pflege des wolgadeutschen Kulturerbes in Deutschland. Dennoch erschien hierzulande eine stattliche Anzahl von Werken sowohl der wolgadeutschen Autoren als auch solcher, die von einheimischen Schriftstellern verfasst wurden, die der wolgadeutschen Thematik „verfallen“ waren, wobei gleichzeitig betont werden muss, dass die so genannte „Emigranten- und ausländische Presse“ dazu einen gewichtigen Beitrag geleistet hat.15 Viele wolgadeutsche Literaten und Künstler sind überhaupt nur dadurch bekannt geworden, dass ihr Schaffen in Deutschland (und später auch in der Bundesrepublik) publik gemacht und gefördert wurde. Es lässt sich also behaupten, dass, vor allem nach der bolschewistischen Machtergreifung in Russland, in Deutschland eine wolgadeutsche Exilliteratur entstanden ist, die sich im Unterschied zu den in der Sowjetunion wirkenden wolgadeutschen Autoren mit der Realität im deutschen Wolgagebiet und in der ASSR der Wolgadeutschen kritisch auseinandersetzte. Letzteres war in der Sowjetunion schlicht und einfach unmöglich – die Künstler hatten hier entweder zu schweigen, oder sie mussten ihr Schaffen restlos der bolschewistischen Ideologie anpassen. Einen dritten Weg gab es nicht. Wer es versuchte, gegen den Strom zu schwimmen, wurde gnadenlos ausgeschaltet, das heißt, in der überwiegenden Anzahl von Fällen physisch vernichtet.
Der Kritiker Woldemar Ekkert weist vom kommunistisch-parteiideologischen Standpunkt darauf hin, dass „die Entwicklung der sowjetdeutschen Literatur in den zwanziger Jahren ideologisch-politisch noch nicht einheitlich“ gewesen sei „und konnte es auch nicht sein… Die Werke einiger bürgerlicher Intellektueller zeigten die Oktoberrevolution nur als Befreiung vom nationalen Joch, lehnten die Diktatur des Proletariats ab, verherrlichten das ‚deutsche Kulturträgertum’. Einige Schriftsteller schwangen sich zwar bis zur Kritik, Verspottung und Verneinung des alten Systems auf, fanden aber den revolutionären Ausweg nicht. Und es gab auch solche, die emigrierten und das neue Russland von außen angriffen.“16 Aber gerade das Schaffen „solcher“ Autoren, die, von sowjetischen Kritikern kaum erwähnt, und den Wolgadeutschen selbst, da ihre Werke nur in Deutschland veröffentlicht wurden, kaum vertraut sind, soll in diesem Aufsatz zur Sprache kommen.

2.1. Carl Ferdinand Emanuel von Wahlberg (1847-1920) erblickte das Licht der Welt in Katharinenstadt in der Familie des lutherischen Pastors schwedischer Herkunft Karl Erik Wahlberg. Der Pastorensohn verbrachte unter den Wolgadeutschen nur neun Jahre, aber er konnte diese Zeit niemals vergessen.
Er erlernte den Arzt-Beruf, wurde später in den Adelsstand erhoben, schrieb Erzählungen Dramen und Romane und arbeitete sich zu einem der namhaftesten Vertreter der russlanddeutschen Literatur hoch. Wahlberg thematisiert in seinen Werken das Leben der deutschen Bauern in Russland und geht auch auf das Neben- und Miteinander der Deutschen und Russen ein. Johann Warkentin liegt wohl richtig mit seiner Vermutung, Wahlberg sei „kein Zugereister, kein Interessierter auf Zeit“ gewesen, „sein ganzes Denken und Fühlen“ habe „im wolgadeutschen Boden“ gewurzelt.17
Seine literarische Tätigkeit begann Wahlberg mit Erzählungen, die dem Leben der russischen Soldaten in der russischen Armee während des russisch-türkischen Krieges im Jahre 1877-78 gewidmet sind, und mit Dramen und Erzählungen in Schwedisch. Er erkannte jedoch, dass die Grundgedanken seiner Dramen und Erzählungen weder in der finnischen noch in der schwedischen Seele wurzelten.18 Die Unzulänglichkeit seines Schaffens führte Wahlberg selbst darauf zurück, dass ihm die Hauptbedingung für das Gelingen seines Werkes fehle, „die nämlich, dass der Schriftsteller in geistig enger Berührung mit der Volksseele stehen muss.“19 Diese Einsicht und die Sehnsucht nach der Wolgasteppe brachten ihn wieder zu den Stätten seiner Kindheitserlebnisse. Fortan waren seine schriftstellerischen Bemühungen nur noch von der Heimatliebe diktiert und in der Muttersprache verfasst. Diesen Wandel beschreibt Peter Sinner wie folgt: „(…) Dann kehrte er ins Land seiner Väter zurück, genoss dort seine Erziehung und Bildung, wurde dort zum Jüngling, zum Manne, wurde ein bedeutender Staatsmann, und Lenker der Geschicke seines Landes. Im Lebenskampf, im Ringen und Wirken mag ihn wohl mitunter eine flüchtige Sehnsucht nach der Wolgasteppe erfasst haben. Aber er gab sich diesen Gefühlen nicht hin, solange er wirkte. (..) Erst als er ausgewirkt hatte, als die Sechzig überschritten waren, als er auf ein taten- und erfolgreiches Wirken zurückschauen und sich in den Ruhestand setzen durfte, da packte es ihn, da zog es ihn mit tausend Fäden hin, in die Wolgasteppe, dahin, wo er seine goldene Kindheit verträumt hatte. (…) Er reiste hin, in die Wolgasteppe, besuchte die Gräber seiner Lieben, alle die Gegenden, wo er sich als Knabe herumgetummelt hatte. Und es ward um ihn geschehen. Jetzt gehörte er wieder ganz der Wolgasteppe. (…) Sein Schriftstellertum hatte ihm manche berühmte Freundschaft eingebracht; H. Ibsen, B. Björnsen, G. Geijerstam zählten zu seinen persönlichen Freunden. Jetzt zog er sich aus dieser großen Welt zurück und lebte den Rest seines Lebens nur noch dem Lande seiner Kindheit, dem Lande seiner heiligen Träume. (…)“20
Im Geiste der deutschen Romantik und Empfindsamkeit ist Wahlbergs Roman „Christian Bode“ gehalten. Untertitel: „Erzählung aus den deutschen Kolonien an der Wolgasteppe“.21

Wo im Frühling aller Farben
Tulpen, überschüt’t mit Garben
Goldner Strahlen, leuchtend blüh’n,
Bunte Schmetterlinge flattern,
Kraniche durch Lüfte zieh’n;
(…)
Wo die Träume sich erfüllen,
Was passieren wird enthüllen…

So beschrieb seine Wolgaheimat der Lyriker David Kufeld. Als eine Märchenwelt nämlich. Doch Wahlbergs Protagonist, der als Geistlicher seinen Dienst in den wolgadeutschen Dörfern versieht, die von dieser Märchenwelt umgeben sind, wird von der Einsamkeit überwältigt. Er ist in einer deutschen Kolonie am Irrsch, einem Steppenfluss, zu Hause, wo er mit zwei Schwestern wohnt.
Als ein Mann der Bildung verspürt er immer stärker den Drang, hinaus, fort von den Dörfern, „die zwar seine Heimat bilden, ihm aber nichts geben können“. Und er macht einen Versuch, aus der Steppeneinsamkeit zu fliehen. Doch die Erfahrungen in der Gouvernementstadt belehren ihn über das Irrige seines Vorhabens. Das Gefühl der Verbundenheit mit der Heimat wirkt seinem Drang in die weite Welt entgegen. Und schließlich überwindet das Heimatgefühl den alten Pastor… Er kämpft mit sich selbst, aber er bleibt bei seinen einsamen Schäfchen.
„Mennoniten“.22 Auch diese „schlicht und einfach, aber vortrefflich aufgebaute und ausgezeichnet komponierte“ Erzählung lässt Züge der deutschen Romantik und Empfindsamkeit erkennen. Im Mittelpunkt des Geschehens stehen Mennoniten, eine protestantische Gruppe, die sich im 19. Jahrhundert im Wolgagebiet niedergelassen hat. Johann Warkentin „tippt“ in diesem Zusammenhang auf die sieben großen „Dörfer am Trakt“, die „mittenmang unter den … gewöhnlichen wolgadeutschen Siedlungen bis zur Vertreibung 1941 an ihrem Anderssein festhielten“.23 Nun, „tippen“ kann man auch auf andere Mennoniten-Siedlungen im Gouvernement Samara. Wichtiger ist aber, dass Wahlberg dieses „Anderssein“ der Mennoniten in diesem „fernen Land“ festgehalten und ihre Sitten, „Brauchtümer und Anschauungen durchaus nicht aufdringlich geschildert“ hat.
Dass hier ein Kenner mennonitischer Art am Werk gewesen ist, fällt besonders deutlich auf, wenn man Wahlbergs Erzählung beispielsweise mit der Erzählung „Friesennot“ von Werner Kortwich vergleicht, 24 einer sentimentalen Geschichte, die keinerlei Bezug zur Realität erkennen lässt. Demgegenüber schildert Wahlberg glaubwürdig eine vorbildliche Mennonitensiedlung an der unteren Wolga. Im Mittelpunkt des Geschehens steht ein junges Mädchen, das an Glauben und Lebensart der Väter zähe festhält. Die Botschaft, die Wahlberg seinen Landsleuten senden will, heißt: „Festes Zusammenhalten, Arbeits-, und Opferfreude, den Segen der friedliebenden Demut, das treue Hüten des Erbes der Väter sollten die ‚Mennoniten’ allen deutschen Steppenbewohnern einprägen“.25
„Laili Sultaneh“.26 In diesem Roman lassen sich zwei Handlungsstränge erkennen. Der erste spielt sich auf dem Dorf ab und stellt, wie Johann Warkentin richtigerweise bemerkt, so zu sagen eine Umkehrung des wolgadeutschen Epos „Kirgisenmichel“ dar.27 Laili, ein Kirgisenmädchen, wird von einer Pastorenfamilie gesund gepflegt und deutsch erzogen. Das Mädchen ist ihren Pflegeeltern dankbar, will aber Kirgisin bleiben und ihren moslemischen Glauben bewahren. Die Ziehmutter und der Ziehvater – ein Exempel religiöser Toleranz in der Wolgasteppe des 18. Jahrhunderts! – akzeptieren diese Entscheidung. Um ihren Stammesgenossen tatkräftig unter die Arme greifen zu können, heiratet Laili den Hoffnungsträger der Kirgisen Araslan.
„Die Mordinsel“.28 Vorab muss geklärt werden, dass es die Insel dieses Namens in der Wolga tatsächlich gibt. Und auch einen Mord hat es dort wirklich gegeben. Aber mit Wahlbergs Geschichte hat der nichts zu tun.
Das erzählte Geschehen findet etwa um das Jahr 1912 statt, das heißt, zwischen dem Japanischen Krieg und dem Ersten Weltkrieg. Es ist eine ereignisreiche Zeit. Im gewaltigen Reich fängt es wieder zu gären an. Es kommt zu massenhaften Erschießungen in Sibirien, zu Straßenschlachten und Terroranschlägen, die das ganze Land erschüttern und selbst in die friedliche Wolgasteppe hineinbrodeln. Der Erzähler folgt nicht der natürlichen chronologischen Sukzession: Um Vergangenes in die Erzählgegenwart einzuführen, durchbricht er sie, indem er zur „Zeit raffenden“ Rückwendung greift. Bislang wäre hier „Arbeit die Losung des Tages, Ruhe die der Nacht; die Quelle der Freude war die Natur und das heitere Gemüt der Bewohner.“ Nun ist es auch hier mit dieser Idylle vorbei. Es stellt sich plötzlich heraus, dass die ererbte rustikale Stille an den Ufern des Riesenstromes trügerisch ist. Jedenfalls ließ sie sich mit dem chaotischen Brodeln der Großstädte nicht vereinbaren.
Gregor Kleist und seine Cousine Judith Kleist kehren nach mehrjähriger Abwesenheit in ihr Heimatdorf zurück, aber dort ist es für sie noch enger geworden. Gregor versucht diese Beklemmung dadurch zu überwinden, dass er davon träumt, sein Heimatdorf Eckheim mit der Eisenbahn zu verbinden, die sich glücklicherweise gerade im Bau befindet. Doch sein Vorhaben scheitert und die ganze Geschichte nimmt ein tragisches Ende.

2.2. Heinrich Grimm gehört ebenfalls zu den wolgadeutschen Literaten, die aus Russland emigriert sind. 1917 veröffentlichte er in Hamburg den Roman „Zu viel Eisen“.29 Der Verfasser steigt mit einer Schilderung der Wolga und ihrer Umgebung ein, die eine Liebeserklärung an seine Heimat darstellt, vgl.: „Mütterchen Wolga zieht durch Länder und Zarentümer, von Volk zu Volk, von Sprache zu Sprache, von dem nordischen Birkenwald hinab zur kahlen, glühendheißen Steppe… Im Frühjahr, wenn Sonne und Westwind den Schnee jagen, wenn alle Wasser, von der langen schweren Fessel des Eises befreit, hoch aufatmen, dann beschenkt die Wolga das Land mit fruchtbarem Löß, dann trägt sie auf der geweiteten Brust die größten Riesen des Ozeans bis in das Herz des heiligen Russland… Deutsche Auswanderer wurden an den Ufern der Wolga heimisch. Rund um die Mühlenstadt Saratow zu beiden Seiten des Stroms wohnen sie, in geschlossenen Kolonien, streng geschieden von allen russischen Wesen, russischer Sprache und Sitten… in einer Welt voll Hunger… Aber schön ist Russland doch, unermesslich die Steppe, riesenhaft der Strom…
Im Frühjahr die Steppe! Ein endloser Blumenteppich… Pfeilschnell schießen die Zieselmäuse unter das hohe Distelgestrüpp… Fern am Horizont treibt ein Tschaban (Schafhirt – Anm. des Verfassers) seine Schafe und ruft: No kudy? kudy? Nun wohin? Wohin? Deutlich trägt der warme Südwind seinen Ruf herüber.“
Es folgt die Schilderung der mühsamen Bauernarbeit, der rauen Klima-Verhältnisse...Der Protagonist, Hann Peter Weill, kommt nach Deutschland, aber findet hier keine Heimat. Lieber wäre er nach Petersburg gesegelt, aber das Meer war noch nicht offen…
Manchmal ist ihm so, als sei er in Deutschland heimisch geworden, doch dann muss er erneut feststellen, dass die Wolgasteppe, das Dörflein an der Regenschlucht ihn mit unwiderstehlicher Kraft wieder in ihren Bann zogen. Er wollte und konnte die Antwort auf die Frage des Schafhirten – No kudy? - nicht geben. Eine Zerreißprobe, die wohl für die wolgadeutschen Intellektuellen typisch gewesen ist.30 Hann Peter Weills Leben nimmt ein tragisches Ende: Er fällt für Deutschland irgendwo in den Ostseeprovinzen. Und die Ausführungen Heinrich Grimms über das berüchtigte „Schuldigkeitsgefühl eines Deutschen zu Deutschland“ scheinen an dieser Tragödie nichts zu ändern.

2.3. Johannes Schleuning (1879-1961) wurde im Dorf Norka (Weigand) auf der Bergseite der Wolga geboren. Er wuchs in einer deutsch und christlich geprägten Gegend auf und zeichnete sich schon in seiner Kindheit durch Wissbegierde, Fleiß und Begabung aus. Es gelang Schleuning, das Studium der Theologie an der Universität Dorpat aufzunehmen und zu absolvieren. Danach wurde er zum Pfarrer geweiht und diente von 1910 bis 1914 in Tiflis einer deutschen Gemeinde. Gleichzeitig redigierte er die Monatsschrift „Kaukasische Post“, die in Tiflis erschien. Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges setzte in Russland die Diskriminierung und Hetze gegen die Deutschen ein, die schließlich in schlimmste Pogrome ausarteten.31 Pfarrer Schleuning setzte sich gegen die Diffamierung seiner Landsleute mutig ein und wurde dafür im Oktober 1914 nach Sibirien verbannt. Erst nach der Februarrevolution 1917 durfte er an die Wolga zurückkehren. Hier wirkte Schleuning an der Herausgabe der „Saratower Deutschen Zeitung“ mit. Es war die erste deutsche Zeitung in Russland, die nach dem Verbot der deutschen Sprache während des Ersten Weltkrieges wieder erscheinen durfte. Aber im Dezember 1917 verboten die Bolschewisten, die inzwischen die Macht an sich gerissen hatten, auch diese Zeitung. 1918 begann der Bürgerkrieg. Um sich der bolschewistischen Vernichtungs-Maschinerie zu entziehen, floh Schleuning nach Deutschland.
In neuen Verhältnissen nahm er sofort Aktivitäten zur Unterstützung seiner Landsleute auf. Die Deutschen aus Russland haben es vor allem ihm zu verdanken, dass die deutsche und ausländische Öffentlichkeit auf deren schwierige Lage aufmerksam geworden ist. Schleuning war von 1921 bis 1929 Vorsitzender des „Zentralkomitees der Deutschen in Russland“. 1919 gründete er in Berlin den „Verein der Wolgadeutschen“ und wurde dessen Vorsitzender. Der Verein setzte es sich zur Hauptaufgabe, die nach Deutschland geflüchteten Wolgadeutschen zu unterstützen. Als an der Wolga die Hungersnot ausgebrochen war, konzentrierte der Verein seine Tätigkeit darauf, in Deutschland und Amerika Geld für die Notleidenden zu sammeln. Für das gesammelte Geld wurden Lebensmittel gekauft, die danach an die Wolga geschickt wurden.
1921 ging Schleuning auf Bitte des National Lutheran-Council in die USA. Dort hielt er Predigten und rief zur Hilfe für die hungernden deutschen Dörfer in Russland auf. Die Zusammenarbeit der Wolgadeutschen in den USA bei der Hungerhilfe führte 1922 zur Gründung der „American Volga Relief Society“. Schleuning war Vorstandsmitglied der 1918 in Berlin gegründeten „Kolonistenbank“ und arbeitete viele Jahre in führender Stellung für den VDA (Verein für das Deutschtum im Ausland).
Aus den USA ging Schleuning wieder nach Deutschland und wurde hier Herausgeber der Zeitschrift „Deutsches Leben in Russland“, die 1934 von den Nationalsozialisten verboten wurde. Im Zweiten Weltkrieg und danach arbeitete er als Pfarrer und zuletzt als Superintendent in Berlin. Später wurde er Superintendent im Braunschweiger Land. Neben seiner Tätigkeit als Geistlicher wirkte er 1952-57 als Sprecher und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Ostumsiedler (seit 1955 Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V.) und stieg schließlich zum Ehrenpräsidenten dieses Verbandes auf. Johannes Schleuning starb am 07.09.1961 in Braunschweig.
Schleuning war ein talentierter und fruchtbarer Schriftsteller, der neben vielen Artikeln in verschiedenen Periodika32 eine ganze Reihe von Büchern verfasste.33 Unter dem Titel „Mein Leben hat ein Ziel“ erschienen 1964 in Witten seine „Lebenserinnerungen eines russlanddeutschen Pfarrers“. Man darf dieses Werk sicherlich als das Hauptwerk Schleunings ansehen. Der Verfasser schildert sein ereignisvolles Leben vor dem Hintergrund der Geschichte seiner deutschen Landsleute. Das gilt natürlich vor allem für die Wolgadeutschen.
Schleuning erlebte als Kind die Gründung einer Tochterkolonie, nämlich Neu-Norka, die er in seinen „Lebenserinnerungen“ darstellt. Darüber hinaus enthält das Werk wertvolle Informationen über die Lebensart der Wolgadeutschen, die für den Geschichtsschreiber und Ethnographen als Zeugnisse aus erster Hand von bleibendem Wert sind. Hinzu kommen wichtige Informationen über die ersten Versuche der Deutschen in Russland, sich zu organisieren, um wirksamer gegen die Diskriminierung aufzutreten. Der Verfasser stellt auch einige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vor, die unverdient vergessen worden sind, äußert originelle Gedanken über seine Gespräche mit ihnen und mit zahlreichen russischen und deutschen Politikern.

2.4. Georg Samuel Löbsack (1893-1936) war wie Johannes Schleuning Journalist, Schriftsteller und Protektor der Wolgadeutschen, wenngleich als Autor lange nicht so produktiv und bekannt wie seine Landsleute Wahlberg und Schleuning: In Deutschland machte er auf sich vorwiegend mit seinem Werk „Einsam kämpft das Wolgaland. Ein Bericht aus sieben Jahren Krieg und Revolution mit vier Bildern und drei Karten“ aufmerksam.34 Mit diesem autobiographischen Werk setzte Georg Löbsack dem untergehenden Wolgadeutschtum ein Denkmal.
Der Verfasser wurde in Koblanowsfeld (Don-Region) geboren. Sein Vater, Heinrich Löbsack, ein wolgadeutscher Prediger der Freikirche der Adventisten, war literarisch begabt. 1938 wurde er in einem sowjetischen Konzentrationslager ermordet. Löbsack junior gelang es, diesem Schicksal zu entgehen, indem er 1921 auf abenteuerliche Weise nach Deutschland zurückkehrte.
Äußerst talentiert, studierte er schon im Alter von 14 Jahren von 1907 bis 1910 Theologie am Missionsseminar der Adventisten in Friedensau bei Burg. Danach wandte er sich gegen den Willen seines Vaters dem Journalismus zu und arbeitete für verschiedene auslandsdeutsche Zeitungen. Dem zitierten autobiografischen Werk ist zu entnehmen, dass der Verfasser in Lodz, Moskau und zuletzt (vor seiner Mobilisierung in die russische Armee) in Saratov an der „Deutschen Volkszeitung“ tätig war. In Moskau wie an der Wolga ließen sich schon damals deutlich russische nationalistische Töne vernehmen, die unter anderem auch gegen die „eigenen“ Deutschen hetzten. Deutsche Zeitungen in Russland wurden geschlossen. Löbsack kämpfte nach seiner Einberufung in die russische Armee an der türkischen (kaukasischen) Front. Hier erkrankte er an Malaria und Typhus.
Es waren aber nicht die Entbehrungen des Kriegsdienstes, die Löbsack innerlich zerfleischten, sondern der innere Konflikt, der darin bestand, dass er als Deutscher gegen Deutschland kämpfen musste. Obwohl die Wolgadeutschen vorwiegend im Kaukasus gegen die Türken eingesetzt wurden, stellte für sie dieser Konflikt eine leidvolle Erfahrung dar, die Löbsack literarisch zu verarbeiten versucht. Der junge Literat trennt sich schließlich von der religiösen Einstellung seiner Familie und pflegt eine ausgeprägt deutsch-patriotische Gesinnung. Er lässt sich in Berlin nieder, gibt hier die Zeitschrift „Der Wolgadeutsche“ heraus und beteiligt sich neben Männern wie Johannes Schleuning an der Organisation der karitativen Hilfe für die hungernde deutsche Bevölkerung an der Wolga.
Er lebte auch in Magdeburg und redigierte dort seit 1924 zeitweilig das latt „Der Harz“. Unter dem Einfluss des Schriftstellers und Germanisten Josef Ponten, mit dem er in freundschaftlicher Beziehung stand,35 beschwor er in seinen Beiträgen den „wolgadeutschen Mythos“ und „Nationalgeist“ und kämpfte für ein Heimatrecht der Wolgadeutschen. Löbsack trat gegen die Assimilation der Wolgadeutschen an die Russen auf und forderte die Wiederherstellung von Geist und Kultur seiner Landsleute.
Wie Anna Jancke36 und Walter Boje schildert auch Löbsack realistisch die Ereignisse der ersten Jahre nach bolschewistischer Machtergreifung. Das gilt insbesondere für die verzweifelten Bauernaufstände und ihre blutigen Unterdrückungen.37 Für den Bauernaufstand von Balzer beispielweise, der „lange Zeit der letzte gewesen“ sei.38
Wahrheitsgetreu berichtet der Schriftsteller auch über seine Gewissenskonflikte, die aus der Zusammenarbeit mit den Bolschewisten resultieren. Diese Zusammenarbeit war für ihn wie für viele andere wolgadeutsche Intellektuelle kein Opportunismus, sondern ein Versuch, in dem von den Bolschewisten gewährten Spielraum der Heimat und den eigenen Landsleuten zu dienen. Doch nachdem der Kleindiktator Tschagin sich in Katharinenstadt zum „Bolschewistenkönig“ ausgerufen hatte - „Die wolgadeutsche Autonomie, das bin ich!“ -, quälte Löbsack der Gedanke, dem Wolgaland „Valet zu sagen“. Und er war einer der wenigen wolgadeutschen Intellektuellen, denen die Flucht aus dem bolschewistischen Paradies ins Ausland gelang.

2.5. Johannes (Hans) Harder (1903-1987) war Übersetzer, mennonitischer Prediger und Sozialpädagoge. Der Philanthrop und Aktivist kann mit Recht als wolgadeutscher Schriftsteller angesehen werden. Seine Großeltern waren 1878 vom Weichseldelta an die Wolga ausgewandert. Der Vater war Schmied und führte erfolgreich ein landwirtschaftliches Maschinenimportgeschäft. Während des Ersten Weltkrieges lebte die Familie in der Verbannung bei Orenburg. 1918 verließ Harder mit seiner Familie Russland und ließ sich in Königsberg nieder, wo er das Studium der Wirtschaft, Literaturwissenschaft, Slavistik und Philosophie aufnahm.
Da Harder Russland als 15-jähriger verlassen hatte, erschienen seine Werke ausschließlich in Deutschland. Seine Beschäftigung mit Christoph Blumhardt befreite ihn von einem dogmatischen Verständnis der christlichen Botschaft und bewirkte eine innere Wandlung. 1928 gründete er einen eigenen Verlag.
Harder verstand sich als freikirchlicher Weltbürger. 1933 schloss er sich der Bekennenden Kirche an und wirkte zusammen mit seinem Vater in einem Hamburger Stadtmissionswerk. Weil einige Mennonitengemeinden in Norddeutschland mit dem Nationalsozialismus sympathisierten, trat er vorübergehend aus ihrer Gemeinschaft aus.
Im Krieg wurde Harder als Dolmetscher in der Ukraine eingesetzt. Nach dem Krieg begann er seine langjährige Tätigkeit als Professor für Sozialwissenschaften an der Pädagogischen Akademie (später Hochschule) in Wuppertal. Die als „Wuppertaler Modell“ bekannt gewordene Straffälligenpädagogik und Delinquenzprophylaxe verdankt Harders Bemühen um soziale Integration entscheidende Anregungen. Er rief seine Studenten ständig zu politischer Verantwortung und zur sozialen und wirtschaftlichen Weltveränderung auf. Harder glaubte an einen Kommunismus auf christlich-demokratischer Grundlage und fühlte sich am Ende seines Lebens dem Quäkertum näher als dem Mennonitentum, wirkte aber nach seiner Emeritierung 1968 als Prediger der Mennonitengemeinde in Frankfurt. Er war ein engagierter, aber nicht immer linientreuer Mennonit, der das soziale Defizit seiner Kirche erkannte, die er von religiöser „Kleinkrämerei“ befreien wollte. Hans Harder zählt zweifellos zu den bekanntesten christlichen Sozialreformern der Gegenwart in Deutschland.
Schon sein erster Roman „In Vologdas weißen Wäldern“ (1934), der unter dem Pseudonym Alexander Schwarz erschien, ließ die deutsche Öffentlichkeit aufhorchen. Harder schildert in diesem Werk das große Leid deutscher Bauern in Russland, die infolge rücksichtsloser Kollektivierung in stalinistischen Arbeitslagern am Weißen Meer interniert waren. Nunmehr stellt das tragische Schicksal des russischen Mennonitentums und der Wolgadeutschen eines der Hauptthemen in seinen Büchern dar. 39

2.6. Nach dem Sturm
Seit 1941 verschwanden die Russlanddeutschen aus dem öffentlichen Leben des Landes. Vertrieben, entrechtet, interniert, stellten sie selbst nach ihrer Befreiung von der Kommandanturaufsicht lediglich eine degradierte Randgruppe der Gesellschaft dar. Literarische Regungen machten sich erst ab 1957 bemerkbar, als in Moskau die deutsche Wochenschrift „Neues Leben“ erschien. Aber obwohl die meisten „sowjetdeutschen“ Schriftsteller wolgadeutscher Herkunft waren oder wolgadeutsche Wurzeln hatten, bestand in der Nachkriegszeit keine „regional bedingte“ wolgadeutsche Literatur mehr.40 Auf den Seiten des „Neuen Lebens“ war selbst das Wort „Wolga“ strengstens tabuisier. Auch wolgadeutsche Schriftsteller, die ihre literarische Laufbahn bereits vor dem Krieg begonnen hatten, mussten sich diesen Gegebenheiten anpassen. Sie wurden zu Schriftstellern ohne Heimat.
In der Wendezeit unterstützten die meisten wolgadeutschen Lyriker und Autoren die Idee der Wiederherstellung der ASSR der Wolgadeutschen, die jedoch erneut am zügellosen russischen Chauvinismus scheiterte. Danach setzte der unaufhaltsame Exodus in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo mehrere Autoren mit wolgadeutschen Wurzeln bereits Flagge gezeigt haben. In diesem Zusammenhang können Reinhold Frank,41 Wendelin Mangold,42 Reinhold Leis,43 Waldemar Hermann,44 Viktor Heinz,45 der wohl der fruchtbarste und bedeutendste unter ihnen ist, genannt werden. Reinhold Keil machte sich vor allem als Kompilator einen Namen.46 Ca. 100 Autoren lassen sich heute zur wolgadeutschen Literatur rechnen, zählt man neben den im Wolgagebiet Geborenen auch die „Zugewanderten“ wie Gerhard Sawatzky und Herbert Henke hinzu sowie „reichsdeutsche“ Schriftsteller wie Joseph Ponten, der ausgedehnte Reisen zu den Wolgadeutschen unternahm, und Walther Boje, der im Ersten Weltkrieg in das Wolgagebiet als deutscher Kriegsgefangener gekommen war und dort nach Kriegsende noch eine Zeitlang lebte.
Eine umfassende Darstellung der Literatur der Deutschen aus Russland stammt aus der Feder von Johann Warkentin.47 Und das von Wendelin Mangold herausgegebene Lesebuch48 kann wohl als eine Ergänzung des Werkes von Warkentin angesehen werden.

3. Wolgadeutsche Thematik im Schaffen „reichsdeutscher“ Autoren und Kritiker
3.1. Joseph Ponten (1883-1940) war Schriftsteller, Kunsthistoiker und Geograph. Er
starb im Alter von 57 Jahren, ohne sein Hauptwerk, „Volk auf dem Wege“, vollendet zu haben. 1925 lernte Ponten während einer Wolga-Fahrt, die ihn faszinierte, Wolgadeutsche kennen. Er erstattete ihnen einen Besuch und versprach ihnen, über ihr Land ein Buch zu schreiben. So kam dem Schriftsteller der Gedanke, ein Werk zu verfassen, das zusammenfassend das Schicksal der Auslandsdeutschen darstellen würde.
Zu Silvester des gleichen Jahres schloss Ponten das versprochene Buch ab, mit dem er freilich selbst unzufrieden blieb. Er ließ daher sein Werk liegen und setzte sich verstärkt mit der Geschichte auseinander, und zwar vorwiegend mit dem 18. und 19. Jahrhundert, in denen die Geschichte der Wolgadeutschen begann und in denen sie Spuren hinterlassen hatten.
Vierzehn Jahre seines Lebens widmete der „Schreiber“, wie ihn die Wolgadeutschen nannten, der Arbeit an seinem Hauptwerk. Aus dem „Wolgaroman“ wurde ein mehrbändiges Werk „der deutschen Unruhe, Volk auf dem Wege“. J.W. Dyck führt diese Romanreihe, die in ihrer heutigen Form aus sechs Büchern besteht, nicht ihrem Erscheinungsjahr, sondern ihrem Inhalt nach auf, vgl.: I. „Die Väter zogen aus“; II. Die Heiligen der letzten Tage; III. Der Zug nach dem Kaukasus; IV. „Im Wolgaland“ (1933); V. „Rheinisches Zwischenspiel“ (1938); VI. Der Sprung ins Abenteuer. (1942) 49 Die drei letzten Bände sind der wolgadeutschen Thematik gewidmet..
In „Im Wolgaland“ führen uns Pontens Schilderungen in die Häuser, Familien, Schulen, Küchen und selbst in die Felder, in denen die Wolgabauern um ihr Dasein kämpfen. Der Leser lernt die Kolonisten nicht nur in der Arbeit, im Spiel, in Beziehungen zueinander und zu den Repräsentanten der anderen Völker des Wolgalandes kennen, sondern verfolgt auch ihre Gedankengänge. Und wer da genauer hinsieht, merkt bald, dass der Wolgakolonist einerseits in der neuen Umgebung noch nicht heimisch, andererseits aber der alten Heimat schon entfremdet ist. Friedrich Weissinger reflektiert über den Roman wie folgt: „(…) die leidenschaftliche Auseinandersetzung und polare Spannung von Ich und Welt, Wille und Schicksal, Geist und Natur… Das Schicksal der Wolgadeutschen … wird ihm‚ ‚dem von ewiger Unruhe umgetriebenen Dichter’ zum Sinnbild des deutschen Menschen schlechthin. (…) Es ist noch mehr, die grandiose und rührende Odyssee des Auslanddeutschtums“.50 In den Büchern V und VI führt Ponten seinen Protagonisten, den wolgadeutschen Schulmeister Christian Heinsberg, in das ihm unbekannte Land seiner Vorfahren, deren Kultur und Lebensweise er so deutlich als seine eigene fühlt, sie aber trotz seiner Erkenntnis nicht völlig genießen kann, weil ihm die einschlägige Kenntnis der deutschen Kulturtradition fehlt.
Wie seinerzeit Peter Sinner51 ahnt auch Josef Ponten ein mögliches Schreckensende der Wolgadeutschen.52 Trotzdem, aber vielleicht auch gerade deshalb, ruft er sie auf, sich besser in ihrer neuen Heimat um höhere Bildung und Kulturwerte zu bemühen und dadurch Persönlichkeiten zu erzeugen, die die Fähigkeit besitzen, die Russlanddeutschen als Volksgruppe zu führen und nach außen zu vertreten. Ein Aufruf, der noch heute aktuell ist…
Die Romane „Im Wolgaland“ und die „Väter zogen aus“ wurden 1936 mit dem Rheinischen Literaturpreis und 1937 mit dem Münchener Literaturpreis gekrönt. Die „Königsberger Allgemeine Zeitung“ schrieb über Pontens Werke: „Mit unerhörtem künstlerischem Fleiß und Können, mit echter deutscher Gewissenhaftigkeit (zu der das gründliche Wissen um die Dinge gehört) hat Ponten aus hundert und aber hundert Einzelheiten ein überaus farbiges, einprägsames Bild vom Leben der Wolgadeutschen geschaffen; ganz Russland kreist um den Kern des Bildes, ganz Deutschland lebt in ihm“.53 Das kann man so stehen lassen.

3.2. Walther Boje
Über Walter Boje ist weniger bekannt. Er kam an die Wolga als Kriegsgefangener, hielt sich dort aber auch nach Kriegsschluss auf. 1930 gab er in Berlin seinen historisch-politischen Roman „Brand an der Wolga“ heraus. Dieses Werk ist aber mehr als ein Roman im üblichen Sinne. Es ist ein in Romanform gebrachter Tatsachenbericht und lässt sich wohl mit dem autobiographischen Roman von Georg Löbsack vergleichen. Bojes Werk enthält umfangreiches und wichtiges Quellenmaterial über die Anfänge des Sowjetsystems in Russland. Der Verfasser hat die in erzählender Form gebrachten Geschehnisse großenteils selbst erlebt und war anschließend lange Zeit Schriftführer des Vereins der Wolgadeutschen in Berlin. Der gesamte Schriftwechsel ging dort durch seine Hände, sodass er über die Ereignisse im Wolgagebiet ständig unterrichtet war. Weniger bekannt ist Bojes Roman von der Wolga „Heinrich Lorgast“, der ebenfalls in Berlin erschienen ist.54

3.3. Nachklapp
1937 schrieb Heinrich Mann zur wolgadeutschen Verfassungsgebung: „Dies sind Deutsche. Sie besitzen die Freiheit, alle bürgerlichen Rechte, ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit, politische Selbstbestimmung; und erzogen werden sie zu dem sozialistischen Humanismus, der die Menschenwürde selbst ist. Von den Wolgadeutschen, ihrem Besitz und ihrer Verfassung darf bei der deutschen Hauptmasse des Dritten Reiches die Rede nicht sein. Wer den Sender hört, erfährt dennoch: auch das ist deutsch.“55 Nun, auf das Jahr 1937 fällt der Höhepunkt bolschewistischer Vernichtungsmaschinerie. Tausende und aber tausende Bürger der Sowjetunion verschwanden auf Nimmerwiedersehen im GULAG. Mindestens 20 Millionen Menschen sollen es insgesamt gewesen sein. Diese Auswirkungen des „sozialistischen Humanismus“ konnten an Heinrich Mann vorbei geflossen sein.. Aber dass die Wolgadeutschen, die sich 1937 ihre „Verfassung gaben“, vier Jahre danach ihrer „Freiheit“, aller bürgerlichen Rechte, ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit und politischen Selbstbestimmung beraubt wurden, (von der „Menschenwürde“ schon ganz zu schweigen), dass ihr Besitz schlicht und einfach entschädigungslos konfisziert wurde und sie selbst allesamt mittellos aus der Heimat geworfen wurden, durfte Heinrich Mann erfahren haben. Doch diesbezüglich äußerte er sich nicht. Niemals. Genau so wie die „proletarischen Schriftsteller“ Friedrich Wolf, dessen Drama „Professor Mamlock“ in Engels aufgeführt wurde, Erich Weinert, Johannes Robert Becher u.a., die von Wolgadeutschen immer begeistert gefeiert wurden und bei ihnen vorübergehend Zuflucht fanden. Sie schwiegen einfach. Möglicherweise aus proletarischer Solidarität und „sozialistischem Humanismus“ im Sinne Heinrich Manns.
Jedenfalls lässt sich sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik mit einigen wenigen Ausnahmen von einer Erforschung und Pflege der Literatur und des Kulturerbes der Deutschen aus Russland vor den 1960er Jahren nicht sprechen. Also wie in der Sowjetunion selbst. Soviel dem Verfasser bekannt ist, ist die erste Anthologie „sowjetdeutscher Schriftsteller“ in der DDR 1982 veröffentlicht worden.56
In der Bundesrepublik erschienen nennenswerte Untersuchungen auf dem Gebiet der wolgadeutschen („russlanddeutschen“) Literatur seit den 1970er Jahren, wobei vor allem die Arbeiten von Alexander Ritter,57 Wilhelm Schneider, 58 Annelore Engel-Braunschmidt59 zu nennen sind. Besonders erwähnt werden muss Engel-Braunschmidts detaillierte Untersuchung des Einwandererliedes Bernhard Ludwig von Platens, des ersten wolgadeutschen Dichters, das die Wissenschaftlerin tatsächlich „neu gelesen“ hat.60 Darüber hinaus haben die Wolgadeutschen dieser Wissenschaftlerin die Publikation des „Kirgisenmichels“ und des „Küster Deis“ zu verdanken.61 Im Vorwort zu dieser Ausgabe schreibt die Wissenschaftlerin: „Es gibt bis heute – neben Liedern, Sprüchen, Schwänken – bei den Russlanddeutschen einige wenige erzählende Texte, in Vers oder Prosa, die nicht nur die Generationen miteinander verbinden, sondern auch die über Kasachstan, Russland, die Ukraine und andere Gebiete der ehemaligen Sowjetunion verstreut lebenden Deutschen. Die Russlanddeutschen kennen fast nie den genauen Titel dieser Erzählungen, noch weniger die genauen Inhalte, aber sie erinnern sich dunkel an das „Deißche“, an das „Einwandererlied“ oder den „Kirgisenmichel“ (auch: „Kirgisermichel“), sie möchten diese Geschichten lesen, hören, neu erfahren, und sie wundern sich, wenn ein Bundesbürger ihnen nicht weiterhelfen kann. Sie machen sich dabei kaum klar, dass die Deutschen in Russland und die Deutschen in der Bundesrepublik einem je verschiedenen historischen und gesellschaftlichen Kontext angehören, der sich eben auch in der Dichtung niederschlägt.“

4. Wissenschaftliche Zusammenarbeit. Förderung wolgadeutscher Wissenschaftler
Die Sowjets bemühten sich zunächst, die Kultur- und Wissenschaftsbeziehungen zu Deutschland als ein Musterbeispiel für die Offenheit der Wolgarepublik zu propagieren. Hinzu kam die spürbare Unterstützung internationaler Hilfsorganisationen bei der Bekämpfung der beispiellosen Hungerkatastrophe von 1921/22. So durfte sich 1922 eine medizinische Hilfsexpedition des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) mit der Bekämpfung der Seuchengefahr62 beschäftigen. Dr. Otto Fischer, Vertreter der Expedition in Saratov, berichtete in den „Wolgadeutschen Monatsheften“ ausführlich über die Maßnahmen zur Malariabekämpfung.63 Zusammen mit dem Hygieniker Dr. Heinz Zeiss, der später am Institut für experimentelle Therapie und Serumkontrolle in Moskau beschäftigt und gleichzeitig im „kultur-politischen Auftrage des Auswärtigen Amtes“ tätig war, pflegte er regen Umgang mit Vertretern der Wolgadeutschen, darunter mit Wissenschaftlern, Pastoren, Lehrern, angesehenen Bauern. Besprochen wurden dabei vor allem Maßnahmen zur hygienischen Aufklärung der ländlichen Bevölkerung. Auf diesen Reisen kamen Fischer und Zeiss auch mit dem wolgadeutschen Lehrer, Volkskundler und Historiker Peter Sinner sowie mit Professor Georg Dinges zusammen. Diese Tätigkeit wurde von der GPU/OGPU misstrauisch beobachtet und überwacht, und auf Dauer waren solche Zustände für die Sowjets natürlich nicht tragbar. Im September 1924 mussten alle DRK-Mitglieder die Sowjetunion verlassen. Heinz Zeiss durfte in Moskau noch bis 1932 bleiben.64 Peter Sinner und Georg Dinges aber wurden diese Kontakte zum Verhängnis…
Nachdem Johannes Schwab und Josef Schönfeld die Wolgarepublik 1926 besucht hatten, setzte ein reger Schriftverkehr mit der „Deutschen Gesellschaft zum Studium Osteuropas“ ein. So teilte die Gesellschaft dem Volkskommissariat für Aufklärung in einem Brief mit, dass sie, sollte das Einverständnis des Kommissariats vorliegen, bereits in der Lage sei, eine wissenschaftliche Bibliothek mit 900 Büchern zur Verfügung zu stellen.65 Doch obwohl der Mangel an wissenschaftlicher Literatur auf Deutsch in der Wolgarepublik äußerst akut war, richtete das Gebietsparteikomitee eine Kommission ein, die das Literaturverzeichnis zu überprüfen hatte. Die Kommission kam zum Schluss, dass „viel unnötige, teure, antiquarische Literatur in guten Einbänden gekauft worden war. Von 601 Büchern stammten nur 29 von zeitgenössischen Schriftstellern. Das Deutsche Pädagogische Institut bildet kommunistische Erzieher aus, und die Bücher sind politisch nicht tragbar. Selten finden wir Marx, Engels, Lenin, Stalin, Liebknecht, aber dafür haben wir eine fast vollständige Sammlung der Protokolle der sozialdemokratischen Parteitage, anarchistische und syndikalistische Literatur, Renner, Adler, Bauer, Kautsky. Das macht die Bibliothek wertlos. Die Schuldigen für die Erstellung einer dermaßen untragbaren Anschaffung sind zur Verantwortung zu ziehen.“66 Die „Schuldigen“ waren schnell ermittelt – zusammen mit Professor Anatoli Synopalow, der unter anderem für die Bibliothek des Deutschen pädagogischen Instituts zuständig war, wurden Professor Georg Dinges und Peter Sinner am 10. Oktober 1931 wegen „Unterstützung des Teiles internationaler Bourgeoisie“ und „Spionage“ angeklagt.67 So wurden aussichtsreiche Initiativen im Bereich der Wissenschaft immer wieder durch Eingriffe bolschewistischer Machthaber unterbunden.
Es ist erstaunlich, wie Vieles in Deutschland für die Pflege des wolgadeutschen wissenschaftliches Nachlasses trotzdem getan worden ist. Zum großen Teil hängt das damit zusammen, dass sich zwischen Deutschland und der Wolgarepublik neben offiziellen auch zahlreiche nicht staatliche Vereine und Verbände mit den Wolgadeutschen mannigfaltige Beziehungen auf dem Gebiet der Kultur und Wissenschaft unterhielten. Die effizientesten dieser Organisationen neben der bereits genannten „Deutschen Gesellschaft zum Studium Osteuropas“ waren: „Der Verein der Wolgadeutschen“, „Der Verein für das Deutschtum im Ausland“, „Das deutsche Auslandsinstitut“ in Stuttgart. Diese Organisationen veröffentlichten in ihren Verbandsblättern und –ausgaben auch wissenschaftliche Untersuchungen über die wirtschaftliche Lage im Wolgagebiet sowie über die wahren Gründe für die in der Geschichte beispiellose Hungerkatastrophe, erörterten den rein formalen, ja fiktiven Charakter der wolgadeutschen „Verfassung“, demonstrierten anhand von zahlreichen Beispielen die Abhängigkeit der Wolgarepublik in allen Bereichen von Moskau.68
Sehr effektiv entwickelte sich die Zusammenarbeit mit wolgadeutschen Dialektologen. Die erste Klassifizierung russlanddeutscher Mundarten nahm bekanntlich Professor Wolf von Unwerth (Universität Greifswald) vor.69 Er befragte während des Ersten Weltkrieges deutsche Kriegsgefangene aus Russland und zeichnete dabei Mundartproben auf. Nach der Analyse seiner Proben kam Unwerth zum Schluss, dass in Russland folgende Mundarten gesprochen werden: Vogelsberg- und Spessartmundarten, hessisch-pfälzische, westpfälzische, nordelsässische, südostpfälzische.
Georg Dinges (Universität Saratov) berichtigte diese Klassifikation dahin, dass das Westmitteldeutsche an der Wolga zum Rheinfränkischen gehört, weil hier die Formen „wat“, „dat“ fehlen, und dass in dieser Klassifikation das Ostmitteldeutsche nicht berücksichtigt sei (das Obersächsische oder Osterländische und das Ostthüringische), das in den Wolgakolonien gesprochen wurde.70 Georg Dinges durfte 1924 nach Deutschland reisen, wo er sogar vom Reichspräsidenten Friedrich Ebert empfangen wurde. Im Sommer und Herbst des gleichen Jahres verbrachte er zwei Monate in Marburg, wo er unter anderem die Bekanntschaft des Leiters der Arbeiten am Deutschen Sprachatlas Professor Ferdinand Wrede machte und Kontakte zu anderen deutschen Dialektologen knüpfte. Dinges besuchte darüber hinaus Rostock und Berlin, wo er sich an der Arbeit des neuphilologischen Kongresses beteiligte, auf dem er die UdSSR vertrat, und sammelte Material für ein Dialektwörterbuch der Wolgakolonien. Über seine Reise schrieb Georg Dinges: „Natürlich bedurfte ein fruchtbares wissenschaftliches Studium der wolgadeutschen Dialekte der Mitarbeit der reichsdeutschen dialektologischen Arbeit. 1924 war mit Marburg, wo die deutsche Dialektforschung ihren Mittelpunkt hat, ein fester Kontakt hergestellt. Die wissenschaftlichen Resultate der Expedition im Jahr 1926 und der früheren Jahre sind derart, dass wir die Feststellung aller Typen der in der Wolgarepublik und in der Gemeinde Jagodnaja Poljana, Gouvernement Saratov, vorhandenen deutschen Dialekte für beendet halten können…“71 Dinges’ Besuch gab Anstoß für eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Sprachatlas und der Saratover Arbeitsstelle zur Erforschung der wolgadeutschen Mundarten. Die Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Kooperation haben Professor Hugo Jedig und Nina Berend zusammengefasst.72 Sie bringen auch die Bibliographie des wissenschaftlichen Nachlasses von Georg Dinges, in der auch die in Deutschland erschienenen Beiträge des Wissenschaftlers vertreten sind. Aufgrund der von Georg Dinges 1925-1929 gesammelten Materialien hat der Francke Verlag 1996 den „Wolgadeutschen Sprachatlas“ herausgegeben.73
1925 regten Georg Dinges und der Archäologe Paul Rau die Gründung eines Landeskundemuseums in Pokrowsk (Engels) an. Die beiden Wissenschaftler strebten damit die Schaffung einer wissenschaftlichen Institution mit einer Bibliothek an. Bereits im Gründungsjahr verfügte das Museum über die Abteilungen Geschichte, Ethnographie und Archäologie. !926 wurde die Abteilung Natur gegründet und 1927 die der Kunst, deren Grundstein die von Jakob Weber geschenkten zehn Gemälde bildeten. Bis 1929 fanden jährlich ethnographische und archäologische Expeditionen statt, deren Ziel vorwiegend darin bestand, die Expositionen des Museums durch neue Exponate zu ergänzen. Das Museum schickte seine Druckerzeugnisse an zahlreiche wissenschaftliche Einrichtungen Deutschlands, mit denen es intensive Beziehungen pflegte. Der Leiter der Abteilung Archäologie und später Direktor des Museums Paul Rau verfasste zahlreiche international geschätzte Arbeiten (meist mit eigenen Zeichnungen), von denen einige auch in Deutschland veröffentlicht wurden.74 1929 wurde Rau auf den internationalen Archäologenkongress eingeladen, wo er über die Arbeit wolgadeutscher Archäologen referierte. Mehrere wissenschaftliche Beiträge veröffentlichte in Deutschland auch Peter Sinner.75
Die in Deutschland veröffentlichten Arbeiten wolgadeutscher Wissenschaftler stellen heute eine der wenigen Quellen zur Erforschung der wolgadeutschen Kulturgeschichte dar. Das bestätigen vor allem zahlreiche Untersuchungen auf dem Gebiet der Geschichte und Kulturgeschichte der Deutschen aus Russland, die in der Bundesrepublik in der Wendezeit erschienen sind.

5. Wolgadeutsches Bauwesen
Man kann dem Architekten Heinrich Heidebrecht nur beipflichten, der auf den trügerischen Schein der Unvergänglichkeit von Bauwerken hinweist, an denen oft die Spuren menschlichen Daseins gemessen werden.76 Zumindest kann man sich auf dem Territorium der ehemaligen Wolgarepublik von der Richtigkeit dieser Behauptung auf Schritt und Tritt überzeugen. Ruinen deutscher Kirchen allerorts, als befinde man sich im ehemaligen Kriegsgebiet, geschändete deutsche Gräber, Friedhöfe, die dem Erdboden gleich gemacht worden sind. Abbildungen der Kirchenruinen werden vermarktet, als seien es Aussichten des antiken Griechenland. In der ehemaligen Hauptstadt der ASSR der Wolgadeutschen erinnert eine Gedenktafel am ehemaligen Regierungsgebäude der Wolgarepublik daran, dass hier in den 1950er Jahren Il’ja Erenburg77 seine Abgeordneten-Tätigkeit ausgeübt habe. Als wäre in diesem Gebäude und in dieser Stadt vor 1950 nichts Wichtigeres passiert. Als wären in dieser Stadt seinerzeit keine wolgadeutschen Wissenschaftler, Schriftsteller und Künstler zu Hause gewesen, von denen einige später weltbekannt geworden sind. Als hätten hier, angefangen vom Regierungsgebäude, nicht Wolgadeutsche zahlreiche Gebäude errichtet, die bis heute die Stadt prägen.
Das Werk italienischer und französischer Baumeister in Russland ist wenigstens in deren Heimatländern mehrfach und in aller Ausführlichkeit dargestellt worden.78 In Deutschland sind vergleichbare Untersuchungen nicht bekannt. Eine Ausnahme bildet die bereits genannte Arbeit von Heinrich Heidebrecht, der einen Versuch unternommen hat, „einem gesellschaftlichen Phänomen, nämlich der außerordentlich regen Teilnahme deutscher Baumeister am Ausbau der Großstädte Russlands“ nachzugehen. 79
Die Baukultur der Wolgadeutschen ist ein provinzielles Phänomen. Gleich wie die ganze Volksgruppe der Wolgadeutschen befinden sich die Baudenkmäler dieser Kultur in vollständiger Auflösung. Es ist daher nur zu begrüßen, dass neulich auch in Deutschland Arbeiten erschienen sind, in denen die Leistungen der Wolgadeutschen auf dem Gebiet des Bauwesens festgehalten worden sind. In diesem Zusammenhang fallen vor allem die Werke des russischen Bauhistorikers Sergej Terjochin ins Gewicht, der diesem Thema eine ganze Reihe von Beiträgen und Büchern gewidmet hat.80 Erfreulicherweise sind einige Arbeiten von Terjochin auch in der Bundesrepublik Deutschland erschienen, wobei vor allem das Buch „Deutsche Architektur an der Wolga“ genannt werden muss, das Annelore Engel-Braunschmidt ins Deutsche übersetzt hat.81 Der Verfasser betont, dass in seinem Buch keine Meisterwerke der Architektur vorgeführt werden, sondern dass es sich um Bauten handelt, die die Deutschen an der Wolga im Verlauf von zwei Jahrhunderten errichtet haben, und vom traurigen Schicksal dieser Bauten. Terjochin versteht daher sein Werk „als einen Martyrolog deutscher Kultur an der Wolga“. Sein besonderes Interesse gilt der Architekturgeschichte der Deutschen an der Wolga, den Wechselbeziehungen zwischen deutscher und russischen Architektur im 19. Jahrhundert sowie der Denkmalpflege.
Terjochin hat für das beschriebene Phänomen den Begriff „Siedler-Architektur“ erfunden. Er ist der Meinung, dass dieser Begriff das Wesen der dargestellten architektonischen Erscheinung zum Ausdruck bringt, ihre Natur und den Mechanismus ihre Entwicklung trifft.82
Die Besonderheit der Siedler-Architektur bestehe darin, dass sie nicht von berühmten Baumeistern in Hauptstädten geschaffen, sondern zu 90 Prozent aus Bauten bestehe, die in den Kolonien massenweise von unausgebildeten Kräften errichtet worden seien. Ausgangspunkt, Modell und Quelle sei für sie die Architektur der deutschen Kleinstädte und Dörfer gewesen, aus denen die meisten Siedler stammten, nämlich: Dorfkirchen, kleine Rathäuser, Schulen und andere öffentliche Gebäude und Wohnhäuser, d.h. die Bauten der so genannten „zweiten Schicht“. Es gehe dabei um keine einmaligen, keine hauptstädtischen und professionellen Bauten, wohl aber um traditionelle. Der Wissenschaftler führt ferner aus, dass es vor der Ansiedlung der Deutschen an der Wolga keine Berufsarchitekten, keine Musterbauten und keine architektonische Tradition gegeben habe. Das Niveau der Architektur sei provinziell gewesen. Der Verfasser schlussfolgert daher, die Siedler-Architektur habe gegenüber der historischen Bauweise eine vermittelnde Position eingenommen.83
Unter den Siedlungen, die sich besonderer Wirtschafts- und Handelsbelebung erfreuten sowie durch Bauqualität, vorbildliche Einrichtung und Siedlungskomfort auszeichneten, nennt Terjochin die Kolonien Weigand, Balzer, Mariental, Katharinenstadt. Diese Siedlungen entwickelten sich Ende des 19. Jahrhunderts praktisch zu Städten. Was die Kolonie Sarepta betrifft, so betrachtet sie Terjochin richtigerweise als einen Sonderfall. Der Verfasser stellt den Bauplan von Sarepta folgenderweise dar: „Auf den ersten Blick erinnert er an eine gespannte, schussbereite Armbrust. Der Pfeil – das ist die Hauptstraße, eine Allee, die durch das Zentrum der Kolonie verläuft und den gemeinschaftlichen Obstgarten mit dem Friedhof verbindet; der gespannte Bogen ist der Erdwall, und die starke Sehne ist das Flüsschen Sarpa, das in der Nähe der Kolonie eine scharfe Windung macht und am Weinberg vorbeifließt. (…) Das Zentrum von Sarepta zählte neun Rechtecke („Quadrate“), die sich im Kreis um das grüne Platzviereck gruppierten. Die Quadrate waren unterteilt in drei bis neun Besitzungen mit einer Breite von 11 bis 13 Klaftern und einer Länge von 14 bis !8 Klaftern (…) Umgeben war der Platz von ein- bzw. zweistöckigen Steinhäusern. (…)“84
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Re: От Роберта Корна II

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Die Kolonie Sarepta wurde von einer Herrnhuter Gemeinde 1765 an der unteren Wolga gegründet. Die Siedlung verschmolz allmählich mit Stalingrad (heute Wolgograd). Einige Gebäude der Kolonie sind erhalten geblieben. Im Juni 1996 wurde mit einem Festgottesdienst die Kirche neu eingeweiht und im September folgte die Übergabe des Gemeindehauses mit der Deutschen Bibliothek. In den neu wiederhergestellten Gebäuden sollte eine wolgadeutsche Gemeinde neue Heimat finden. Das ließ sich nur mit der Unterstützung des Bundesinnenministeriums und der EKiBB (Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg) bewältigen. Heute geben diese neu restaurierten Gebäude wieder Zeugnis vom städtebaulichen Programm der Herrnhuter Siedlungen 85
Im Jahre 2000 feierte die Evangelische Brüdergemeinde in Neuwied, Wetterau, ihr 250-jähriges Jubiläum. Dieser Gedenktag gab der Gemeinde Anlass, in dem Kreismuseum die Ausstellung „Herrnhuter Architektur am Rhein und an der Wolga“ zu präsentieren. Die Finanzierung der Ausstellung und der Begleitschrift86 hat wesentlich das Land Rheinland-Pfalz übernommen. Die Ausstellung und die Begleitschrift sollen dazu beitragen, eine Brücke zwischen Ost und West zu schlagen.
2004 wurde in Remshalden das Buch „Sachliche Volkskunde der Wolgadeutschen“ von August Lonsinger veröffentlicht,87 der ein bekannter wolgadeutscher Schriftsteller war und zu den rührigsten ehrenamtlichen Mitarbeitern gehörte, die Georg Dinges bei der Gründung des Zentralmuseums der ASSR der Wolgadeutschen im Jahre 1925 unterstützten. Das genannte Buch von Lonsinger erschien 77 Jahre nach der Fertigstellung des einschlägigen Manuskripts. Ein ganzes Kapitel dieses Buches – das Obdach – ist dem Bauwesen der Wolgadeutschen gewidmet. Die Veröffentlichung der Arbeit von Lonsinger ging aus einem gemeinsamen Projekt des Instituts für Deutschland- und Osteuropaforschung des Göttinger Arbeitskreises (seit 1.1.2002 Abteilung Göttingen des Nordost-Instituts/Institut für Kultur und Geschichte der Deutschen in Nordosteuropa e.V.) und der Filiale des Staatsarchivs des Gebiets Saratov in Engels hervor und wurde vom Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien gefördert. Das Projekt hat es ermöglicht, die zitierte Arbeit von Lonsinger für die Wissenschaft und die Nachwelt zu retten.

6. Darstellende Kunst
In den 1920er Jahren gab die „Gesellschaft der Freunde des neuen Russland“ in Berlin die Zeitschrift „Das Neue Russland“ heraus. In Nr. 1 für 1926 finden wir den Artikel „Unsere darstellende Kunst“ von H. Hansen. Der Verfasser nennt unter anderem den Namen Karl Kügelgen, gebürtig aus dem Rheinland. Er lebte Anfang des 19. Jahrhunderts zwanzig Jahre lang im Dorfe Anton an der Wolga und schuf Landschafts- und Lebensbilder aus den Wolgakolonien.88
Ein hervorragender Landschaftsmaler soll Johannes Welz gewesen sein, der 1866 in Saratov geboren wurde. Er hatte die Kunstakademie zu Petersburg absolviert und lebte dann vorwiegend auf der Krim. Deshalb beziehen sich seine Gemälde thematisch vorwiegend auf die Umgebung Petersburgs und auf die Krim.
Georg Löbsack ist zu entnehmen, dass nach 1917 zum ersten Mal auch Zeichnungen von „wolgadeutschen Köpfen“ entstanden. Der Schriftsteller Walter Boje soll auch „erster Zeichner“ gewesen sein. Neben seinen Gedichten halfen später auch seine Bilder wirksam bei der Werbung für die Hungernden an der Wolga in Deutschland und Amerika.89
Zu großem Ansehen in ganz Russland und darüber hinaus brachten es die Kunstmaler Joseph Graf und Jakob Weber, die aus ärmsten Verhältnissen stammten. Doch wenn der Name Jakob Webers einigermaßen der Vergessenheit entrissen zu sein scheint,90 sind die meisten wolgadeutschen Künstler sowohl der interessierten Öffentlichkeit der Bundesrepublik als auch den Wolgadeutschen selbst kaum bekannt.
In der Bundesrepublik sind die russlanddeutschen Kunstmaler im Arbeitskreis „Bildende Kunst“ der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. organisiert, dessen Vorsitzender nahezu zehn Jahre lang der Kunstmaler Viktor Lang ist. Einigen dieser Künstler ist es inzwischen gelungen, in der neuen Heimat Flagge zu zeigen, indem sie unter anderem zur künstlerischen Verschönerung ihrer neuen Heimat beitragen.91
Die Künstler aus Russland, unterstützt durch Städte, Gemeinden und karitative Verbände, veranstalten in der Bundesrepublik Ausstellungen,92 ihr Schaffen wird auch in verschiedenen Katalogen präsentiert.93 Den Künstler-Biographien ist zu entnehmen, dass sie nicht nur unterschiedliche Lebensläufe haben, sondern auch aus verschiedenen Landschaften und Gebieten des zerbrochenen sowjetischen Imperiums wie Kasachstan und Sibirien kommen. Sie haben eine große Varietät in ihren künstlerischen Entwicklungen hinter sich und in ihren Zielen vor sich. Viele von ihnen können wolgadeutsche Wurzeln nachweisen. Ob sie sich jedoch zum Wolgadeutschtum bekennen und ob die wolgadeutsche Thematik in ihrem Schaffen eine Rolle spielt, lässt sich anhand ihres Schaffens eindeutig nicht feststellen.

7. Musik
7.1. Wolgadeutsches Liedgut in Deutschland
Die Erforschung des Liedgutes der Deutschen aus Russland hat bereits eine Tradition von über 100 Jahren.94 Sie wurde nicht nur in Russland selbst, sondern auch in Deutschland und in einer Reihe von Ländern Nord- und Südamerikas, die deutsche Einwanderer aufnahmen, betrieben.95 Für Johann Windholz beginnt die eigentliche Folkloristik der Russlanddeutschen jedoch mit dem Sammelband „Volkslieder und Kinderreime aus den Wolgakolonien“, die von Johannes Erbes und Peter Sinner gesammelt und 1914 in Saratov mit einem Anhang von Rätseln herausgegeben worden sind.96
Zu Standardwerken auf dem Gebiet der Erforschung des „russlanddeutschen“ Liedgutes sind die Bücher und Aufsätze von Georg Schünemann geworden.97 Schünemanns Sammlung „Kolonistenlieder“ enthält 434 deutsche Kolonistenlieder (mit Noten) aus ganz Russland, die der Verfasser während des Ersten Weltkrieges von russlanddeutschen Kriegsgefangenen phonographisch aufgezeichnet hat. „Das gemeinschaftliche Arbeiten mit den Kolonisten bleibt mir unvergesslich. Wir waren bald miteinander Freunde; viele Wünsche über Änderungen des Lager- und Arbeitskommandos konnten erfüllt werden; Grüße an Angehörige nahm ich mit, und viele Briefe liefen hin und her. Diesen Sängern von der Wolga und aus Südrussland verdanke ich die Liedersammlung, die nun in einem stattlichen, gediegen ausgestatteten Band erschienen ist“; schreibt Schünemann, der gleichzeitig betont: „Im Leben der Kolonisten ist das deutsche Lied stark und reich geblieben. Unterdrückung und Russifizierung haben es nicht vernichten können; mit dem Lied steigen Erinnerung und Sehnsucht an die deutsche Heimat auf, es ist der Kolonisten unverlierbarer Besitz, es ist ihr Erbe und Trost.“
In seinen Arbeiten gibt Schünemann unter anderem einige Aufschlüsse über den Einfluss des russischen Liedes auf das deutsche, und zwar: „Sie (die) Kolonisten gerieten immer stärker in russische Gewohnheiten hinein: Ihre Weisen änderten sich mehr und mehr, wurden umgestaltet oder der russischen Musik angepasst. Der Kolonist ist vom Russen kaum zu unterscheiden, wenn er seine breitgedehnten Lieder singt.“98 Schünemann war also der Meinung, die russische Vortragsmanier hätte die deutschen Lieder in Russland stark beeinflusst.
Victor Schirmunski bezweifelte die Idee der „russischen“ Vortragsmanier der Russlanddeutschen und vertrat die Ansicht, dass diese „freiere“ Vortragsweise, die unter anderem im melismenreichen Singen der Wolgadeutschen zum Ausdruck komme, auch in der Urheimat der Kolonisten verbreitet gewesen sei. Johann Windholz schließt sich dieser Meinung an. 99
Obwohl Schünemanns „Kolonistenlieder“ für die Erforschung des deutschen Liedgutes unverzichtbar sind, muss darauf hingewiesen werden, dass in seiner Sammlung Lieder aus verschiedenen Siedlungsgebieten der Kolonisten nebeneinander stehen, sodass eine Vorstellung vom Liedgut eines bestimmten Siedlungsgebietes, beispielsweise von dem der Wolgadeutschen, nur schwer zu gewinnen ist.
An der Wolga setzten Georg Dinges und Paul Rau die Sammeltätigkeit vom Johannes Erbes und Peter Sinner fort. Ein beredtes Zeugnis ihrer Zusammenarbeit ist die Sammlung „Wolgadeutsche Volkslieder mit Bildern und Weisen“, die mit der Unterstützung der Deutschen Akademie und des Deutschen Volksliedarchivs 1932 von Georg Dinges in Berlin und Leipzig herausgegeben und von Paul Rau illustriert worden ist.100 Das Buch enthält fünfzig Volkslieder aus verschiedenen Dörfern der Wolgarepublik und sieben Zeichnungen von Paul Rau. Einige Lieder aus dieser Sammlung sind 1989 auf Anregung des Verfassers dieser Zeilen in der „Freundschaft“ veröffentlicht worden.101 Gefördert durch die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moskau, wurde das Buch 1996 neu herausgegeben.
Bereits 1926 wurde an der Universität Saratov die von Georg Dinges begutachtete Dissertation „Armut und Reichtum im wolgadeutschen Volkslied“ von Zinaida Potulova verteidigt, die von besonderem Interesse im Hinblick auf die Textanalyse unter soziologischem Gesichtspunkt ist. Leider wurde diese Arbeit nur im Auszug veröffentlicht.102
1935 und 1937 wurden an der Wolga im Rahmen folkloristischer Expeditionen unter der Leitung des Schriftstellers Andreas Saks noch einmal 90 Lieder notiert. An diesen Expeditionen, die sich die Sammlung der Folklore der sowjetischen Zeit zur Aufgabe gestellt hatten, wirkten Victor Klein und Gottfried Schmieder mit.103 Insgesamt sollen dabei neunzig Werke gesammelt worden sein. Wie viele Lieder und Varianten der notierten Lieder dabei zusammengetragen worden sind, ist unbekannt.
Während des Zweiten Weltkriegs und in den Jahrzehnten danach waren in der Sowjetunion aus bekannten Gründen keine deutschen Volkslieder mehr zu hören. Die Namen wolgadeutscher Folkloristen tauchen in den Fachzeitschriften nicht mehr auf. Nach der Aufhebung der Kommandanturaufsicht ließen sich in neuen Ballungsgebieten der Russlanddeutschen (in Vertreibungsorten) durch Initiativen einiger Enthusiasten wieder deutsche Chöre und Theatergruppen ins Leben rufen. Daher entstand erneut der Bedarf an deutschen Liederbüchern. Da diese aus dem Ausland, und schon gar nicht aus dem kapitalistischen, bezogen werden durften, erschienen die ersten einschlägigen Ausgaben in der Sowjetunion.
Eine bemerkenswerte Erscheinung in der Folkloristik der Wolgadeutschen (und der Russlanddeutschen überhaupt) ist das in der Bundesrepublik im Esther Gehann Verlag in Kludenbach edierte „Russlanddeutsche Liederbuch“, das Alexander Schwab im Auftrag der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland herausgegeben hat. Darüber berichtete in der „Deutschen Allgemeinen“ Dr. Ernst Stöckl.104
Das Liederbuch enthält 178 Lieder aus allen Gegenden, „in denen Deutsche vor und nach der Vertreibung durch Stalin siedelten bzw. noch leben“.105 Alexander Schwab entnahm das im Buch vertretene Liedgut den Sammlungen von Georg Schünemann, Georg Dinges, Oskar Geilfuß, Victor Klein, Johann Windholz sowie der Liedersammlung „Ich bin das ganze Jahr vergnügt“ von K. Scheuerling (Kassel, Bärenreiter-Verlag) und den Melodien, die M. Trausch in Pforzheim von verschiedenen russlanddeutschen Sängerinnen auf Tonband aufgezeichnet hat. Ernst Stöckl weist mit Recht darauf hin, dass mit dem genannten Liederbuch der Öffentlichkeit eine Auswahl russlanddeutscher Quellen wieder zugänglich gemacht wird, „die heute durch den Buchhandel nicht mehr zu beziehen und in Bibliotheken nur schwer zu besorgen sind“.106 Das kann mit folgenden Ergänzungen akzeptiert werden: Volkslieder, die in verschiedenen angestammten Siedlungsgebieten der Deutschen in Russland entstanden sind, stehen wahllos nebeneinander und sagen über die Region, in der sie entstanden und gepflegt worden sind, nichts aus. Eine konsequente Differenzierung der Volkslieder, die die Deutschen nach Russland mitgebracht haben, und solcher, die von ihnen in Russland geschaffen worden oder später aus Deutschland „importiert“ worden sind, fehlt ebenfalls nach wie vor. Die Sammlung von Georg Dinges und Paul Rau gibt nur die Dörfer an, in denen die jeweiligen Lieder aufgezeichnet worden sind. Wo sie entstanden sind, bleibt im Dunkeln. Das gilt auch für das Liederbuch „Deutsche Lieder aus Russland“, das den falschen Eindruck erwecken kann, die hier veröffentlichten Lieder seien in Kasachstan und Sibirien entstanden. 106

7.2. Der letzte Mohikaner
1992 gab Ernst Stöckl im Auftrag der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland das letzte Liederbuch von Friedrich Dortmann heraus.107 Das letzte, weil der Komponist 1999 für immer von uns gegangen ist…
1991 schrieb Dortmann an Ernst Stöckl: „Leider war uns nicht die Möglichkeit gegeben, etwas Vollkommeneres, etwas von größerer Bedeutung zu schaffen. Aller Anfang ist eben schwer! Ich wünschte mir, dass unsere jungen Menschen die Probleme unserer nationalen Kultur auf eine höhere Stufe bringen würden.“108 Dabei wird in verschiedenen Quellen immer wieder betont, die Wolgadeutschen seien äußerst musikalisch gewesen. Das bestätigen schon die in Deutschland erschienenen und bereits genannten Liedsammlungen. Allein der wolgadeutsche Komponist Gottfried Schmieder zeichnete für das Zentrale Museum der Wolgadeutschen nachweislich nahezu 700 Lieder auf.109 Außerordentlich reich und mannigfaltig war auch die Instrumentalmusik dieser Volksgruppe. 110
Die zitierte Aussage Dortmanns bedarf noch einer Ergänzung: Es wird zuweilen vergessen, dass einer der bedeutendsten zeitgenössischen Komponisten, Alfred Schnittke, in Engels geboren wurde und hier seine Kindheit verbrachte. Prof. Dr. Gerd Rienäcker charakterisiert Schnittke als einen Komponisten, „der Deutsch-Russe und Europäer gleichzeitig ist, unabhängig davon, welche besonderen nationalen Traditionen er in sich verkörpert.“111
Nun, dem Verfasser ist nicht bekannt, inwiefern sich Alfred Schnittke als Russe und Europäer verstanden hat. Fest steht nur, dass sich der aus einer jüdisch-deutschen Familie stammende Komponist (sein Vater war ein in die Sowjetunion emigrierter Jude) ungebrochen zu seinen wolgadeutschen Wurzeln bekannt hat. Das Schaffen dieses in Europa erfolgreichsten Komponisten behandelt Tamara Burde in einem Buch, das im Auftrag der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland mit Förderung des Bundesinnenministeriums erschienen ist;112 hier wird der deutschen Leserschaft dargestellt, wie dieser vor einigen Jahrzehnten fast verfemte Komponist erstaunlicherweise internationale Geltung erreicht hat.
Aber wenden wir uns noch einmal dem Liederbuch von Friedrich Dortmann zu. Seine Liedtexte sind vorwiegend den Werken wolgadeutscher Lyriker entnommen und greifen teilweise auch aktuelle Probleme wie Umweltschutz und Abrüstung auf. „Dortmanns Lieder stellen Miniaturen dar, die sorgfältig und liebevoll gearbeitet sind. Der Komponist erfindet einfache, gesangliche und einprägsame Melodien, erarbeitet dazu eine Klavierbegleitung, in der er die modulatorischen Möglichkeiten der Gesangstimme voll auszuschöpfen sucht, und bedient sich dabei gelegentlich auch überraschender harmonischer Wendungen. Dortmanns Kompositionsweise ist volkstümlich (dafür spricht allein schon eine gewisse Bevorzugung des Walzerrhythmus), seine Tonsprache will ein breites Publikum erreichen, auf moderne musikalische Ausdrucksmittel und Experimentieren wird vollständig verzichtet. Anklänge an das Wiener- und Filmlied der 1930er Jahre sind nicht zu überhören.“113 Letzteres scheint das Publikum zu akzeptieren. Sobald es erlaubt wurde, erklangen Dortmanns Lieder mit Erfolg in Konzerthallen und im Rundfunk. Das Lied „Wenn Geschütze verstummen“ (Text von Lia Frank) erschien auf einer Schallplatte.114 Großer Beliebtheit erfreuten sich auch die Lieder aus Dortmanns Liederheft „Kraniche“.115
Die Kinderlieder sind dem Komponisten nicht zuletzt deshalb gut gelungen, weil er dafür behutsam reizende und bezaubernde Gedichte ausgewählt hat, darunter auch die Verse wolgadeutscher Lyriker Rosa Pflug, Reinhold Frank, Woldemar Herdt, David Jost. Da die Lieder für den Gruppengesang vorgesehen sind, enthalten die meisten von ihnen zweistimmige Abschnitte. Der Komponist träumte davon, dass diese Lieder in den deutschen Schulen der wiederhergestellten Wolgarepublik erklingen. Jedenfalls komponierte er seine Lieder in erster Linie für diese Jugend. Sein Traum sollte nicht Erfüllung gehen.
In den deutschen Zeitungen der ehemaligen Sowjetunion erschienen insgesamt über 200 Lieder von Dortmann. In den 1980er Jahren wurden einige dieser Lieder in Sammelbänden veröffentlicht. Das letzte Liederbuch des Komponisten ist in Deutschland erschienen. Es trägt den Titel „Olga von der Wolga“. Das ist kein Zufall – Friedrich Dortmann war Wolgadeutscher.


8. A N M E R K U N G E N

1 KUZ’MIN, M.S. (1971): Dejatel’nost’ partii i sovetskogo gosudarstva po razvitiju meždunarodnych svjazej SSSR 1917-1932. (Die Tätigkeit der Partei und des Sowjetstaates zur Entwicklung internationaler Beziehungen der UdSSR 1917-1932). Leningrad. – IOFFE, A.E. (1975): Meždunarodnyje svjazi sovetskoj nauki, techniki i kul`tury. 1917-1932.(Internationale Beziehungen der Sowjetwissenschaft, Technik und Kultur 1917-1932). Moskva.
2GERMAN, A. (1994): Nemeckaja avtonomija na Volge, Č. 1(Deutsche Autonomie an der Volga, Teil 1) Saratov, S. 83-92.
3 GERMAN, A., a.a.O., S. 83.
4 PINKUS, B./I. FLEISCHHAUER (1987): Die Deutchen in der Sowjetunion. Geschichte einer nationalen Minderheit im 20. Jahrhundert. Bearbeitet und herausgegeben von Karl-Heinz Ruffmann. Baden-Baden, S.150-203.
5 WASCHKAU, E. (1998): Kulturbeziehungen der Wolgadeutschen Republik mit Deutschland 1918-1933. In: Forschungen zur Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen. Essen, Nr. 8, S. 104-118.
6 GIANP (Gosudarstvennyj istoričeskij archiv nemcev Povolž’ja v gorode Engelse. – Staatliches historisches Archiv der Wolgadeutschen in der Stadt Engels) .- F. 849-Op.1.-D. 587.-L.. 3.
7 CDNISO (Centr dokumentacii novejšej istorii Saratovskoj oblasti. – Dokumentationszentrum der neuesten Geschichte des Saratover Gebietes ).- F. 1.–Op. 1.–D. 973.–L. 62-65.
8 GIANP.- F. 849-Op.1.-D. 587.-L. 3.
9 Akten des Auswärtigen Amtes IV, Russland (Deutsche Botschaft, II. 3.1926); „Berliner Volkszeitung“ vom 21.03.1926. Zu diesem Treffen waren hohe Beamte des Auswärtigen Amtes, darunter von Dirksen, der Leiter der Russland-Abteilung, und Vertreter der deutschen Industrie geladen.
10 GIANP.-F. 849-Op.1.-D. 587.-L. 3.
11 Akten des Auswärtigen Amtes IV, Russland (Deutsche Gesellschaft zum Studium Osteuropas, 23.03.1926).
12 RICHTER, H. (1926): Aus der Wolgadeutschen Sowjetrepublik. Berlin, S. 26.
13 Deutsch-Wolgadeutscher Pressedienst 1927, Nr. 15.
14 Akten des Auswärtigen Amtes IV, Russland (Deutsche Wolgarepublik 1929-1934, Band 1, 23.01.1929).
15 Deutsches Leben in Russland. Zeitschrift für die Kultur und Wirtschaft der Deutschen in Russland. Hrsg. Zentralkomitee der Deutschen aus Russland. Hauptschriftleiter Johannes Schleuning. Erschien seit 1923 in Berlin. – Deutsche Post aus dem Osten. Hrsg. A. Eichler u. C. v. Kügelgen, Verl. Heimat-Aufbau-Wirtschaftsgenossenschaft russlanddeutscher Kolonisten. 1925-26, 1-9. – Geistiges Leben. Monatsschrift für die Deutschen in Russland. Hrsg. Von Ludwig Wolff und Adolf Eichler, Jg. 1-2, Lodz, 1912-1913. – Mitteilungen des Vereins der Wolgadeutschen, Berlin 1919, Nr. 1-5. – Osteuropäische Zukunft. Zeitschrift für Deutschlands Aufgaben im Osten und Südosten. Hrsg. Dr. Falk Schuipp, Jg. 1-3, Nr. 1-20. München 1916-1918. – Der Wolgadeutsche. Unabhängige Wochenschrift für die kulturelle und wirtschaftliche Förderung des Wolgadeutschtums.- Jg. 1-2. Berlin 1922-1923, Jg. III. ff. Neuhof bei Berlin. – Wolgadeutsche Monatshefte. Monatsschrift für Kultur und Wirtschaft der Wolgadeutschen. Berlin 1922, Jg. I. ff. u.a.
16 EKKERT, W. (1981): Die Literatur der Russlanddeutschen bis 1917 und der Sowjetdeutschen von 1917 bis 1957. In: Kontschak, E./K. Ehrlich, (Auswahl). Anthologie der sowjetdeutschen Literatur. Alma-Ata, Bd. 1, S. 26.
17 WARKENTIN, J. (1999): Geschichte der russlanddeutschen Literatur aus persönlicher Sicht. Stuttgart, S. 64.
18 SCHNEIDER, W. (1965): Die Russlanddeutsche Dichtung von den Anfängen der Siedlung bis 1936. In: Heimatbuch der Deutschen aus Russland, Stuttgart, S. 56 .
19 WAHLBERG, F. v. (1923): Die Beichte meiner Feder. In: Wolgadeutsche Monatshefte, II. Jg., Berlin 1923, S. 9.
20 SINNER, P (1923): Die Wolgasteppe. In: Wolgadeutsche Monatshefte, 2. Jg., Berlin, S. 316 ff.
21 WAHLBERG, F. v. (1910): Christian Bode. Erzählung aus den deutschen Kolonien an der Wolgasteppe 1795. Wien/Leipzig.
22 WAHLBERG, F. v. (1912): Mennoniten. Erzählung. Wien/Leipzig.
23 WARKENTIN, J., a. a. O., S. 65.
24 KORTWICH, W. (ohne Jahr): Friesennot. Erzählung. Leipzig.
25 WAHLBERG, F. v. (1923), a. a. O., S. 10
26 WAHLBERG, F. v. (1919): Laili Sultaneh. Stuttgart.
27 WARKENTIN, J., a. a. O., S. 66.
28 WAHLBERG, F. v. (1919): Die Mordinsel. Wien/Leipzig.
29 GRIMM, H. (1917): Zu viel Eisen. Hamburg.
30 Jedenfalls bestätigt das Georg Löbsacks „Bericht aus 7 Jahren Krieg und Revolution“ vgl.: „(…) Man kann aus dem Kreislauf nicht mehr heraus. Hier die Kulturarbeit, dort der Kriegsdienst, da die Tscheka!
Wohin, Wolga?
‚Sie brauchen Klimawechsel’, gebot mir ein befreundeter Arzt, ‚sonst legt Sie die Malaria noch um!’
Wohin, Wolga?
‚Fahren Sie in die Krim!’ empfahl der Arzt.
Doch schon lange vorher hatten ein Freund und ich, auf einem Wolgaschiff einmal, uns gefragt:
‚Was sagt Europa’“. LÖBSACK, G. (1930): Einsam kämpft das Wolgaland. Ein Bericht aus 7 Jahren Krieg und Revolution. Mit 6 Bildern und 3 Karten. Leipzig, S. 345-346.
31RJABIČENKO, S. (2002): Pogromy 1915 goda. Tri dnja iz žizni neizvestnoj Moskvy (Pogrome des Jahres 1915. Drei Tage aus dem Leben des unbekannten Moskau). Moskau. – DÖNNINGHAUS, V. (2002): „Hexenjagd“ in Moskau. In: Damals. Das Magazin für Geschichte und Kultur, Nr. 7, S. 63-66.
32SCHLEUNING, J. (1918): Die bolschewistische Schreckensherrschaft in den deutschen Siedlungen des Wolgagebietes. In: „Das Deutschtum des Auslands“, Berlin, Heft 38, S. 423-425. – Ders. (1924): Muttersprache. In: Deutsches Leben in Russland. Berlin, Nr. 51/52, S.22. – Ders.. (1924): Die Autonome Sowjetrepublik der Wolgadeutschen. In: „Deutsches Leben in Russland“. Berlin, 2. Jg., Aprilheft, Nr. 7/8, S. 80-83.
33 SCHLEUNING, J. (1919): Die deutschen Kolonien im Wolgagebiet. (Schriften zum Selbstbestimmungsrecht der Deutschen 9). Berlin. – Ders. (1922): Aus tiefster Not. Berlin. – Ders. (1927): Das Deutschtum in Sowjetrussland. Berlin. – Ders. (1930): In Kampf und Todesnot. Berlin. - Ders. (1932): Die Wolgadeutschen. Ihr Werden und ihr Todesweg. Berlin. – Ders. (1933): Die Tragödie des deutschen Bauerntums in Sowjet-Russland. Leipzig. – Ders. (1952): Die Stummen reden. 400 Jahre evangelisch-lutherische Kirche in Russland. Erlangen.
34 LÖBSACK, G., wie Anm. 30.
35 PONTEN, J. (1940): Aus dem Briefwechsel Georg Löbsack und Josef Ponten. In: Deutsche Post aus dem Osten vom 12. Mai, S. 3-8.
36 JANCKE, A. (1937): Wolgadeutsches Schicksal. Erlebnisse einer Auslandsdeutschen, die sich aus dem Untergang ihrer vom Bolschewismus vernichteten Heimat retten konnte. Leipzig.
37 LÖBSACK, G., a. a. O., S. 301-325.
38 Die nach dem Aufstand entstandene Atmosphäre stellt Löbsack wie folgt dar: „Nicht nur die Menschen, die Zeit selbst schien eingeknickt zu sein. So öde und trostlos liegen leere Flussbetten da. Bleicher Sand darin. Rieselsteine. Reisige. Wo noch ein Tümpel ist, verdunstet er in der heißen Sonne. Die Luft steht still. Verwilderte Hunde streifen umher. Nur noch die flachen Uferränder gemahnen an die Wasser, die je und je das Land durchströmten. In der Wolgasteppe hin und her ein ächzender Bauernwagen. Kühe davor. Keine Pferde mehr. Oder auch Menschen, drei, vier. Sie ziehen den Wagen. Sie ziehen den Pflug.“ LÖBSACK, G., a. a. O., S. 326.
39 Die wichtigsten davon sollen hier angeführt werden, vgl.: HARDER, H. (ohne Jahr): Das Dorf an der Wolga. Ein deutsches Leben in Russland. Stuttgart. – Ders (1939): Die Muschel. In: Deutsche Post aus dem Osten, Nr. 8/9, S. 18/19. – Ders. (1940): Die Heimfahrt des Kolonisten. In: Deutsche Post aus dem Osten, Nr. 1, S. 1. - Ders. (1942): Die vier Leiden des Adam Kling. Eine wolgadeutsche Geschichte. Berlin. – Ders. (1957): Die Auswanderung des Christian Schrott. In: Haimatbuch der Deutschen aus Russland. Stuttgart, S. 192-196.
40 FRÖSCHLE, H. (2006): Nach der Zeit des Schweigens. Wolgadeutsche Autoren in russlanddeutschen Anthologien. In: Jahrbuch für Internationale Germanistik, Jg. XXXVII – Heft 2, S. 84 – 89.
41 FRANK, R. (1995): Heimkehr. Wien. – Ders.(1996): Gedichte, Geschichten und Märchen. Wien. – Ders. (1999): Ruf der Ahnen. Frankfurt/Main.
42 MANGOLD, W. (1998): Rund um das Leben. Gedichte. Stuttgart.
43 LEIS, R. (ohne Jahr): Das Tier-Alphabet von A-Z. Landshut.
44 HERMANN, W. (1989): Erzählungen. Stuttgart. – Ders.(1996): Erzählungen. Bonn.
45 HEINZ, V. (1996): In der Sackgasse. Roman. Stuttgart. – MANGOLD, W., Red. (2007): Festschrift zum 70. Geburtstag von Viktor Heinz. Leben und Werk. Bonn.
46 KEIL, R./W. HERDT (1993): Über Victor Klein und seine Zeit. Mannheim. – KEIL, R. (1994): Russlanddeutsche Autoren. Weggefährten, Weggestalter 1764-1990.
47 WARKENTIN, J., a. a. O.
48 MANGOLD, W. (1999): Russlanddeutsche Literatur. Lesebuch. Stuttgart.
49 DYCK, J.W. (1962): Zum Motiv der Umwertung von Kulturgütern: Ponten. In: Heimatbauch der Deutschen aus Russland. Stuttgart, S. 112.
50 WEISSINGER, F. (1993): „Josef Ponten zu seinem 50. Geburtstage“. In: Der Bücherwurm, XLII-XIX, S.134 )
51 SINNER, P. (1922): Ein untergehendes Volkstum. Zuschrift von Peter Sinner an die „Wolgadeutschen Monatshefte“ vom 1. Dezember (Heimatbuch der Deutschen aus Russland, 1985-1989, S. 33-35)
52 DYCK, J.W., a. a. O., S. 113
53 Zitiert nach „Bücher von Josef Ponten“ In: PONTEN, J. (1933): Im Wolgaland. Stuttgart, Berlin, S. 606.
54 BOJE, W. (ohne Jahr): Heinrich Lorgast. Roman von der Wolga. Berlin.
54 LÖBSACK, G., a. a. O., S. 275-276.
55 MANN, H. (1937): Die Demokratie der Wolgadeutschen. In: DZZ vom 04.06., Moskau, Nr. 126 (Abdruck aus „Die neue Weltbühne“).
56 GRÜNEWALD, L./M. LANIUS (1982): Zehn sowjetdeutsche Erzähler. Berlin [Auswahl].
57 RITTER, A. (1974): Nachrichten aus Kasachstan. Deutsche Dichtung in der Sowjetunion. Hildesheim/New York. ( Vgl. auch seinen Aufsatz in: Akzente, 1975, Heft 1, S. 46-67.).
58 SCHNEIDER, W., a. a. O.
59 ENGEL-BRAUNSCHMIDT, A. (1991): Besonderheiten der Entwicklung der sowjetdeutschen Literatur. In: Die Deutschen in der Bruderfamilie der Sowjetvölker. [Texte einer Konferenz von 1989]. Alma-Ata, S. 69-83. – Dies. (1985): “Zweig eines großen Baumes.” Die Literatur der deutschen Minderheit in der Sowjetunion. In: A. RITTER (Hrsg.), Die deutschsprachige Literatur im Ausland. Göttingen, S. 127-145. – Dies. (1993): Russlanddeutsches Schrifttum heute. In: Forschungen zur Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen. Newsletter 3. Jg., 1993, S. 44-48.
60 ENGEL-BRAUNSCHMIDT, A. (1996): Bernhard Ludwig von Platens Einwandererlied – neu gelesen. In: Forschungen zur Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen. Essen, Nr. 6, S. 137 – 154.
61ENGEL-BRAUNSCHMIDT, A., Hrsg. (1993): Siedlernot und Dorfidyll. Kanonische Texte der Russlanddeutschen. Berlin/Bonn.
62 Die Cholera, der Unterleibstyphus und insbesondere die weit verbreitete Malaria gingen mit der Hungerkatastrophe im Wolgagebiet Hand in Hand.
63 FISCHER, O.(1923): Die Bedeutung der Malaria für das deutsche Gebiet an der Wolga und die Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung. In: Wolgadeutsche Monatshefte, Jg. 2, Nr. 7/8, S. 97-98; Nr. 9/10, S. 127-128.
64 KRIEGER, V. (2006): Der erste Geheimprozess gegen wolgadeutsche Intellektuelle. In: Jahrbuch für internationale Germanistik. Jahrgang XXXVIII – Heft 2. Bern, Berlin…, S. 108.
65 GIANP. - F.847 - Op.1.- D. 294. – L..52.
66 Zit. nach WASCHKAU, N. E., a. a. O., S. 110.
67 KRIEGER, V., a.a.O., S. 135-136.
68 WASCHKAU, N.E., a. a. O., S. 111.
69 UNWERTH, W.(1918): Proben deutsch-russischer Mundarten aus den Wolgakolonien und dem Gouvernement Cherson. – In: Abhandlungen der preußischen Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse, Berlin, Nr. 11, S. 10-94.
70 DINGES, G. 1925: Zur Erforschung der wolgadeutschen Mundarten. Teuthonista, Jg. 1, H. 4 vom 1.07., S.4 ff. – JEDIG, H.H. (1994): Die deutschen Mundarten in der Sowjetunion. In: Sprachinselforschung. Eine Gedenkschrift für Hugo Jedig. Frankfurt am Main, S. 11 – 17.
71 DINGES, G. (1927): Wissenschaftliche Dialektforschung in der Autonomen Republik der Wolgadeutschen. In: Wochenbericht der Gesellschaft für kulturelle Verbindung der Sowjetunion mit dem Auslande. Pokrowsk, Nr. 11-12.
72 BEREND, N./H. JEDIG (1991): Deutsche Mundarten in der Sowjetunion. Geschichte der Forschung und Bibliographie, S. 28-33.
73 BEREND, N./R. POST , Hrsg.(1996): Wolgadeutscher Sprachatlas. Tübingen/Basel.
74 RAU, P. (1925): Kurgane und Altertumsfunde in der Vorstellung der wolgadeutschen Bauern. In: Hessische Blätter für Volkskunde, Nr. 23, S. 39-45.
75 SINNER, P. (1925/1926): Bernhard Ludwig von Platen, der erste wolgadeutsche Dichter und sein Gedicht. In: Teuthonista, S. 270-286. Gedicht: Reise-Beschreibungen der Kolonisten wie auch Lebensart der Russen, von Offizier Platen. – Ders. (1927): Der Deutsche im Wolgaland. Langensalza: Beltz. – Ders.(1924): Der Wolgadeutsche. In: Deutsche Welt 5, S. 149-151. – Ders. (1925): Aus den deutschen Wolgakolonien. In: Reform. Kirchenzeitung 75, S. 325.
76 HEIDEBRECHT, H. (1996): Deutsche Baumeister in Russland. 18. Jahrhundert. Stuttgart, S. 9.
77 Erenburg machte sich als Politkommissar vor allem durch seine extremistischen antideutschen Hasstiraden einen Namen. So behauptete er unter anderem, die Deutschen seien keine Menschen und rief die Rotarmisten auf, die deutschen Frauen zu vergewaltigen, was er als Umerziehungsmaßnahme interpretierte.
78 GATTO, E. Lo (1943): Gli architetti del secolo XIX a Pietroburgo e nelle tenute imperiali. Roma. – Ders. (1934): Gliartisti italiani in Russia. Roma. – REAU, L.(1924): L’ histoire de l’expansion de l’art francais moderne, le monde slave et l’orient. Paris.
79 HEIDEBRECHT, H., a. A. O., S. 9.
80 TERJOCHIN, S. (1990): Veka i kamni. Pamjatniki architektury Saratovskoj oblasti (Jahrhunderte und Steine. Architekturdenkmäler im Gebiet Saratov), Saratov. – Ders. (1999): Poselenija nemcev v Rossii. Architekturnyj fenomen (Deutsche Siedlungen in Russland. Architektonisches Phänomen), Saratov. – Ders. (1989): Dvaždy pereselennye (Zweimal umgesiedelt). In: Wolga (Saratov), Nr. 7, S. 131-143. – Ders. (1990): Die Architektur der deutschen Umsiedler. In: Heimatliche Weiten (Moskau), Nr. 1, S. 230-242.
81 TERJOCHIN, S. (1993): Deutsche Architektur an der Wolga. Aus dem Russischen übersetzt von A. ENGEL-BRAUNSCHMIDT. Berlin/Bonn.
82 TERJOCHIN, S., a. a. O., S. 75.
83 TERJOCHIN, S., a. a. O., S. 75 – 76.
84 TERJOCHIN, S. a. a. O., S. 27 – 28.
85 LAHR, R. u.a. Red. (ohne Jahr): Herrnhuter Architektur am Rhein und an der Wolga. Koblenz.
86 LAHR, R., a. a. O., S. 7
87 LONSINGER, A. (2004): Sachliche Volkskunde der Wolgadeutschen. Hrsg. und Bearb. Victor Herdt. Remshalden.
88 HANSEN, H. (1926): Unsere darstellende Kunst. In: Das neue Russland. Berlin, Nr. 1.
89 LÖBSACK, G., a. a. O., S. 275-276.
90 SOLOV’JOVA-VOLYNSKAJA, I. (1984): Im Banne des großen Stromes. Leben und Werk des Malers Jakob Weber. In: Heimatliche Weiten, Moskau, Nr., 2, S. 196 – 228.
91KORN, R. (2004): “Mein Gewissen fordert mich immer wieder auf…“ In: Ders. Unbekannte im Westen. Porträts der Landsleute. Omsk, S. 106 – 110. – Ders (2004), S. 111 – 121.
92 TZIOULNIKOFF, T. (2001): Nach Hause kommen… Russlanddeutsche Künstleinnen und Künstler in Kirchen in und um Lahr. Lahr/Mahlberg.
93 ENGEL-BRAUNSCHMIDT, A. Red. (1992): Deutsche Künstler aus Russland. Berlin/Bonn. – TEPPERT, K. (1992): Isolde Hartwahn. Stuttgart.
94 EISFELD, A. (1989): Kultur- und Lebensformen der Deutschen in der Sowjetunion – Traditionelles und Neues in der Diaspora. In: Referate der Kulturtagung der Deutschen aus Russland/UdSSR vom 20. bis 22. Oktober 1989 in Bad Herrenalb. Stuttgart, S. 133.
95 KORN, R. (1992): Umschau. Das geistliche Lied der Russlanddeutschen. In: Musik und Kirche, Kassel, Nr. 5 S. 276 – 278. – Ders. (1994): „Tränen hab’ ich viele…“ Das Volksliedgut der Russlanddeutschen. In: Der Heimatpfleger. Zeitschrift für Volkstanz, Volksmusik, Brauchtum und Heimatpfglege. Stuttgart, Nr. 3, S. 12 – 24. – Ders. (1998): „Behüt mich, Herr, vor falscher Lehr…“ Das religiöse Leben und geistliche Liedgut der Russlanddeutschen. In: Heimatbuch der Deutschen aus Russland. Stuttgart, S. 179 -189. – Ders. (2000): Unverlierbarer Besitz. Das Volksliedgut der Deutschen aus Russland. In: Haimatbuch der Deutschen aus Russland. Stuttgart, S. 272 – 285.
96 ERBES, J./P. SINNER (1914): Volkslieder und Kinderreime aus den Wolgakolonien. Mit einem Anhang von Rätseln. Saratov,
97 SCHÜNEMANN, G. (1923): Das Lied der deutschen Kolonisten in Russland. In: Sammelbände für vergleichende Musikwissenschaft, München, Bd. 3. – Ders. (1923): Kolonistenlieder. In: Wolgadeutsche Monatshefte. Berlin. – Ders. (1924): Das Lied der deutshen Kolonisten. In: Das deutsche Volkslied. Wien, H. 13. – Ders. (1925): Geschichte und kolonistische Kultur im Liede. In: Ostdeutsche Monatshefte, Nr. 8, S. 1204 – 1210.
98 Zitiert nach KEIL, R. (1982-1984): Über das Volkslied der Wolgadeutschen. In: Heimatbuch der Deutschen aus Russland. Stuttgart, S. 180.
99WINDHOLZ, J. (1983): Volksmusik der Sowjetdeutschen. Geschichte und Aufgaben ihrer Erforschung. Moskau, S. 255-256.
100 DINGES, G., Hrsg. (1932): Wolgadeutsche Volkslieder mit Bildern und Weisen, herausgegeben mit Unterstützung der Deutschen Akademie un des Deutschen Volksliedarchivs. Bilder von Paul Rau. Berlin/Leipzig. – Ders. (1996): Narodnye pesni nemcev Povolž’ja s melodijami i risunkami. (Volkslieder der Wolgadeutschen mit Melodien und Zeichnungen. Gefördert durch die Botschaft der Bundesrepublik Deutshland in Moskau).Moskau.
101 „Freundschaft“, 1989, Nr. 62, S. 4 u.a., jeweils S. 4.
102 POTULOVA, Z. (1926/27): Armut und Reichtum im wolgadeutschen Volkslied. In: Teuthonista 3, S. 165-170 und Teuthonista 4, S. 262-274.
103 STÖCKL, E. (1993): Musikgeschichte der Russlanddeutschen. Dülmen, S. 167.
104 STÖCKL. E. (1991): Russlanddeutsches Liederbuch. In: Deutsche Allgemeine, S. 4.
105 SCHWAB, A. (1991): Russlanddeutsches Liederbuch, herausgegeben im Auftrag der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland auf Grund der Sammlungen von Mathias Trausch, Johann Windholz, Oskar Geilfuß, Georg Dinges, Konrad Scheierling, Viktor Klein, Georg Schünemann. Kludenbach.
106 FISCHER, J. Hrsg. (ohne Jahr): Deutsche Volkslieder aus Russland. Russlanddeutsche Volkslieder aus Kasachstan und Sibirien. Stuttgart.
107DORTMANN, F. (1992): Olga von der Wolga. Lieder im Volkston mit Klavierbegleitung, herausgegeben im Auftrag der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland von Ernst Stöckl. Kludenbach.
108 STÖCKL, E., wie Anm. 103, S. 195
109 VINDGOL’C, I. (1996): O sozdateljach sbornika „Narodnye pesni nemcev Povolž’ja s melodijami i illjustracijami (Über die Schöpfer des Sammelbandes „Volkslieder der Wolgadeutschen mit Melodien und Illustrationen“). Vorwort zum genannten Sammelband. Moskau, S. 17.
110 MAKSIMOV, S.E. (1939): Narodnaja muzykal’naja kul’tura nemcev Povolž’ja (Volksmusik der Wolgadeutschen ). Moskau.
111REINÄCKER, G. (1993): Vorrede zum Buch „Zum Leben und Schaffen des Komponisten Alfred Schnittke“. Kludenbach.
112 BURDE, T. (1993): Zum Leben und Schaffen des Komponisten Alfred Schnittke. Kludenbach.
113 STÖCKL, E. (1992): Vorwort zu „Olga von der Wolga“ von F. Dortmann (Anm. 110), S. 5.
114 Firma „Melodija“. Mina Wagner mit dem Unterhaltungsorchester des Kasachischen Rundfunks unter Leitung von A. Gurjanov.
115 DORTMANN, F. (1984): Kraniche (21 Lieder). Alma-Ata.

P.S.
Этот материал я получил несколько лет назад от Роберта Корна. К сожалению выкладываю его с большим запозданием и в такой форме.
Интересует, фамилия Bangert из Dittel
фамилия Diener из Katharinenstadt/Marxstadt/Warenburg
фамилия Krug из Krazke
фамилия Kramer из Katharinenstadt
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