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Der Wolgadeutsche, 15.09.1922
Skizzen eines Verhungernden - Записки умирающего с голода
[spoiler=]Skizzen eines Verhungernden
Aus den Aufzeichnungen eines Kreisschreibers
N…, Ende Mai 1922
Wie schwere Wolken hängt es über uns: wir verhungern. Es besucht uns niemand mehr. Ich darf auch nicht mehr lesen. Wenn ich lese, reißt mein Vater mir das Buch aus der Hand, schleudert es in die Ecke, spuckt danach wie nach einem bösen Geist und schreit außer sich: „die klugen politischen Bücher sind Schuld daran, daß wie verrecken: sie haben den ganzen Hunger gebracht, ohne sie war alles genug da.“
Mein Vater ist ein schmutziges Skelett. Wie er so im Hause umherschleicht, schon tiefsinnig geworden von dem quälenden Gedanken: Wie kriege ich was zu essen! Wie er so dahinkriecht, mißtrauisch zur Seite blickend, ich muß immer an einen Hund denken, der für einen Knochen fürchtet. Dieselben Bewegungen, dasselbe Bild. Heute morgen zitterte er vor Hungerkrämpfen: stumm atmend, erzählte er mir:
Das habe ich dir noch nicht gesagt. Weißt du, dein Großvater hat nur Gras gegessen. Er gab alles mir. Warum gibst du mir nicht dein Essen? dein Großvater war besser als du. Und er lebte nicht lange: er schwoll an. Als er tot war und im Sarge lag, quirlte es unaufhörlich in seinem Leibe. Weißt du, der Leib bewegte sich ordentlich. Der Feldscher sagte: „Ich muß doch einmal nachsehen!“ Er schnitt ihn auf und sah hin zu. Da wimmelte es vor lauter großen Würmern. Es war alles grün. Wie haben ihn begraben und sind dann vor Ekel und Schreck davongelaufen.
Dann sagte mein Vater noch verstört: Wir brauchen keine neue Sonne mehr! Es ist genug Sonne da! Wir sterben vor lauter Hitze! Sie sollen uns die alte Sonne wiedergeben! Und Felder sind verbrannt. Wir wollen nicht auch verbrennen.
Alles betet, schlägt das Kreuz, mit schlaffer Hand. „Gott hilft uns! Gott erbarme dich!“
Die rechte Hand hebt sich, stößt an die Stirn, an die Brust, fällt auf den Leib. Sie wollen das Kreuz machen. „Hilf Mutter Gottes!“ Es geht nicht mehr. Der Hunger hat sie gelähmt.
Ich war vors Dorf gegangen. Hinter den Tennen schien weniger Staub zu sein; eigentlich nicht Staub, sonndern fliegender Sand. Auch dort ist alles tot. Es ist überrall einerlei: ob im Dorf, ob draußen.
Heute nachmittag schlich eine sterbende Frau mit zwei Kindern von Haus zu Haus. Bat um Eßbares. Niemand gab ihr zu essen. Wir essen selbst das letzte. Wir wollen länger leben als die Frau.
Vor dem Dorf habe ich sie wiedergesehen. Schon von weitem. Sie lag am Weg im Staub. Als ich näherkam, sah ich. Sie war tot. Naben ihr lag ein Mädchen. Tot. Das Brustkind lag auf der Mutter und sog sterbend an der Brust.
Hände strecken sich aus. Die Augen der Menschen fallen immer tiefer in ihre Höhlen zurück. Man sieht nur noch Knochen und gelbe schlafe Haut. Mein Vater ist verhungert. Es sind schon viele verhungert.
Was das Ausland schickt, reicht nicht. Gibt es denn auch dort nichts mehr?
Bittet man um Hilfe für uns? Hat man schon sehr, sehr laut gesagt, daß wir unsere letzen Tage verbringen? Wissen die Menschen, daß wir verhungern.
Haben Sie schon gesehen, wie Wölfe auch Fleisch suchen? Mit der Schnauze auf dem Schnee Spuren suchend? Hungrig, freßgierig?
So sind die Menschen in unserem Dorf. Sie suchen auch Fraß, tasten halb wahnsinnig die Wände ab, schleichen immer wieder in die Keller, die Scheunen, die Ställe… Vielleicht, daß doch noch… Sie gehen allein, ein jeder für sich, weil sie für den Fraß fürchten, den sie vielleicht doch noch finden könnten… Der andere kriegt nichts davon.
Unser Nachbar sagte heute zu mir: „Wenn der S. stibt, stehle ich seine Leiche. Er hat noch weiches Fleisch. Das koche ich.“ Dabei leuchteten seine Augen wie die eines Wolfes, der eine Spur gefunden hat.
Ich habe heute gegessen. Heißes Wasser war es mit einigen Hirsenkörnchen. Ich wollte mehr haben. Sie geben nichts. Es soll für alle reichen.
Aus der Volksküche ging ich zurück in die Kanzlei. Immer das Alte. Auf dem Tisch lag die Post: Protokolle. Ein Mann hat einem kranken Jungen die rechte Seite angefressen, unterhalb der Rippen; in K. haben Kinder ihre Händchen angenagt; in N. hat eine Frau im Winter ihr Mädchen im Schnee erfrieren lassen und sein Fleisch gekocht; in L. hatte ein Mann den Kopf eines toten Knaben gestohlen und wollte Gelee daraus machen; in P. werden die Kinder nicht beerdigt, sondern als Nahrung zurückgelegt.
Die Bauern hoffen auf nichts mehr. Sie sind stumpfsinnig geworden und liegen sterbend in ihren Häusern. Sie warten auf den Tod.
Jemand hatte mir einen Zettel auf den Tisch gelegt. Darauf stand nur ein Wort: Skorbut.
Ich habe die Schrift erkannt. Nun ist auch die letzte Kontoristin fort. Sie hat es am längsten ausgehalten.
Ich kann auch nicht mehr.
Haben Sie W. gasagt, daß ich sterbe? Sagen Sie ihm, daß es nun soweit ist.[/spoiler]
Der Wolgadeutsche